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Sonntag, 11 Febr. 1945.     

     Gestern Abend rief Kpt. Lt. Dr. Krappmann an, ob er kommen dürfe, er habe etwas zu besprechen. – Er kam dann mit seiner Frau. Er wollte sich Rat holen, ob er die Frau mit d. Kindern in die Heimat schicken solle, etwa nach Bamberg, da ihre eigentliche Heimat Schweinfurt ja nicht mehr existiert. Im Bamberg könne sie „vielleicht“ bei einer Freundin unterkommen. Er fürchtet drei Möglichkeiten. Bei eventuellen Kampfhandlungen kann er ums Leben kommen, oder er wird gefangen genommen, oder es gelingt der Batteriebesatzung, sich in Kähnen durchzuschlagen.

     Ich sagte ihm, daß ich diese dritte Möglichkeit für unwahrscheinlich halte, so viele Kähne gibt es hier ja garnicht. Wenn er aber gefangen genommen wird oder fällt, dann ändert sich für seine Frau nichts, ob sie nun in Bamberg ist, oder hier. Andererseits aber ist das Elend der Flüchtlinge furchtbar, denn mitnehmen kann sie nichts u. eine Reise nach Bamberg mit den Kindern ist höchst riskant. Außerdem macht es einen nicht sehr guten Eindruck, wenn die Frauen der Herren Offiziere, die so lange hier waren, jetzt das Weite suchen. Man wird sagen: „Die Ratten verlassen das sinkende Schiff“. Er ließ sich überzeugen u. beschloß, seine Frau hier zu lassen. –

     Wir besprachen dann die möglichen Ereignisse. Er rechnet mit einem Angriff vom Süden aus Rostock, nicht von Stralsund durch den Darss. Im Falle eines solchen Angriffes wurde er die Dörfer rechtzeitig warnen, sodaß die Bewohner in den Darss flüchten können. Seine Batterie reicht nicht bis Rostock, sie würde also erst in Aktion treten, wenn einige Panzer von dort her eine Streife durch Fischland u. Darss machen würden. In diesem Falle müßte er natürlich schießen, aber er vertraute mir an, daß die Batterie so wenig Munition besitzt, daß es sich nur um wenige Schuß handeln könne, die dann freilich genügen würden, um alle Fensterscheiben der Umgegend zu zerschlagen. Die feindl. Panzer würden natürlich antworten, doch würde Ahrenshoop davon kaum berührt werden. Möglicherweise würden auch Fliegerbomben geworfen werden, die dann größeres Unheil anrichten würden. Nach dem letzten Schuß würde sich die Batterie ergeben müssen. – Sollte ein Angriff aber doch durch den Darss kommen, so wäre das für Ahrenshoop zwar sehr viel unangenehmer, denn der Ort würde dann zwischen den Fronten liegen, aber die Batterie würde bestimmt nicht in den Ort hineinschießen. –

     Ich habe mir nun diese Sache überlegt u. bin zu folgender Ueberzeugung gekommen:

     Die Russen, die immer noch nichts verlauten lassen über ihre Operationen im Raume Küstrin-Frankfurt, werden versuchen, Berlin durch Handstreich zu nehmen. Gelingt das nicht, so wird um Berlin gekämpft werden u. sie werden es nehmen. Dann werden die Russen sofort einen deutschen General als provisorische Regierung einsetzen, u. zwar den General v. Seydlitz, der ja in Moskau Vorsitzender des Komite'es „Freies Deutschland“ ist. Dieser wird sofort mit Rußland, England u. Amerika Waffenstillstand schließen, während Hitler mit seinen Kumpanen u. der SS in Süddeutschland noch weiter kämpfen wird. Die Alliierten werden es dann

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Hans Brass: TBHB 1945-02-11. , 1945, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-02-11_001.jpg&oldid=- (Version vom 8.7.2024)