Seite:HansBrassTagebuch 1945-01-14 002.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

werden sie gleich an Ort und Stelle mit Splittereinheiten anderer Regimenter aufgefüllt, so wie es auch bisher immer gemacht wurde. Auf diese Weise kann natürlich niemals ein voll kampfkräftiges Regiment zustande kommen, sondern immer nur eine zusammengewürfelte Bande ohne straffe Disziplin, die dann möglichst rasch als reines Kanonenfutter wieder in den Kampf geworfen wird. Daß solche Regimenter dann rasch dezimiert werden, ist ja kein Wunder. – Auch der Regimentskommandeur mußte über Nacht ein anderes Regiment übernehmen, welches immerhin noch Bataillonsstärke hat. Fritzens Verbandsplatz ist nun wieder an der alten Stelle in Kolmar, nachdem sie vor einigen Tagen von dort weiter rückwärts verlegt worden waren. – Was aber viel betrübender ist, ist dies, daß Fritz selbst als Sanitäter nach vorn kommandiert ist, also nicht mehr beim Verbandsplatz u. bei Feldw. St. ist. Sein Brief ist Sylvester geschrieben u. in dieser Sylvesternacht muß er nun nach vorn in die Stellung. Er schreibt, daß ihm „mulmig“ zumute ist, aber er hat, wie er schreibt, in diesen letzten Tagen viel Zeit gehabt u. hat diese Zeit zum Lesen guter, religiöser Bücher benutzt, sodaß er sich stark fühlt, selbst wenn es nicht gut ausgehen sollte. Er hat Stegmiller gebeten, uns Nachricht zu geben, falls ihm etwas passiert. Gott möge ihn weiter beschützen.

     Zum Glück hat er vor einigen Tagen noch die Bücherpäckchen erhalten, die wir ihm zu Weihnachten sandten. Die Briefe aus dem Gefängnis von Thomas More, die dabei waren, hat er St. geschenkt, er selbst scheint besonders vom „Ackermann aus Böhmen“ beeindruckt worden zu sein. Ich habe dieses Buch selbst nicht gelesen.

     Es beunruhigt mich, daß er schreibt, es sei ihm „so merkwürdig zu Mute“. Nun, es ist das ja nicht zu verwundern. Sein Brief schließt: „So stehe ich wieder in Gottes Schutz u. Obhut im Vertrauen, daß ich alles zum Besten getan habe.“ – Gottes Wille soll und muß geschehen; aber dennoch zittert mir das Herz bei dem Gedanken, daß Fritz nicht wiederkommen könnte. –

     Die neue Offensive der Russen in Südpolen scheint zunächst ja rasch vorwärts zu kommen. Gestern Abend hieß es, daß sie Kielce genommen hätten u. ihre Angriffsspitzen jetzt 90 km. westlich der Weichsel stünden. In unserem Heeresbericht wird gesagt, daß die Russen auch in Ostpreußen an der Memel angegriffen hätten, jedenfalls ist mit Sicherheit anzunehmen, daß sie sich nicht auf Südpolen beschränken werden; aber ich glaube doch, daß ihr Hauptinteresse sich auf Polen u. Oberschlesien richtet. – Budapest war bis gestern Abend immer noch nicht restlos in russischem Besitz, unsere Leute wehren sich verzweifelt, da es heißt, daß die Russen nicht viele Gefangene machen.

     Gestern Abend hieß es, daß die Angoamerikaner durch unsere Offensive im Westen rund 40000 Mann an Verlusten gehabt haben sollen, wir aber 90000 Mann.

     Gestern war der Geburtstag des Pastors Martin Niemöller aus Dahlem, der nun schon seit 1938 im Konzentrationslager sitzt.

     Heute Vormittag kam Schw. Maria aus Barth u. brachte mir das von Pfr. Dobczynski angekündigte Transparent, das sehr hübsch gemacht ist. Sie berichtete ausführlich über den Gesundheitszustand des Pfarrers u. die Zustände in der Pfarrei. Sie aß mit uns zu Mittag

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1945-01-16. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-01-14_002.jpg&oldid=- (Version vom 4.7.2024)