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Strauven, der in Prerow das Dünenhaus betrieb u. ebenfalls vor Kurzem zur Wehrmacht einberufen wurde, dort gestorben. Man muß erwarten, daß der hiesige Gastwirt Holzerland, der ebenfalls eingezogen ist, dasselbe Schicksal erleidet, – noch lebt er freilich. Wenn ich nicht mein zerbrochenes Bein hätte, wäre es mir schon längst so gegangen.

     Heute ist Schneetreiben bei starkem Südwest.

     Die Offensive im Westen scheint sich endgültig festgelaufen zu haben. Seit zwei Tagen sind wir auch in der Tiefe nicht mehr weiter voran gekommen, von den Flanken ganz zu schweigen. Gestern hieß es im Heeresbericht, daß eine große „Begegnungsschlacht“ im Gange sei, was ja nur so viel bedeuten kann, daß die Amerikaner nunmehr eine geschlossene Armee in den Kampf geworfen haben, die die Aufgabe des Angriffs hat u. nicht mehr bloße Verteidigung. Der Ausgang dieser Schlacht, die wohl einige Tage anhalten wird, dürfte nicht zweifelhaft sein, denn die Amerikaner werden natürlich alles aufbieten, was sie haben, um diese große Chance, uns entscheidend schlagen zu können, auszunutzen. Und sie haben sehr viel! –

     Soeben, – es ist 3/4 10 Uhr, – kommt Grete zu mir u. sagt, Deutschmann sei eben dagewesen u. habe bestellt, daß der „Volkssturmmann Brass“ am 1. Jan. 1945 auf dem Bahnhof in Prerow zur Vereidigung zu erscheinen habe. Er habe hinzugefügt, daß jeder wisse, daß ich ein krankes Bein hätte u. nicht nach Prerow gehen könne u. daß ein Wagen nicht zur Verfügung stehe. So viel ich gehört habe, ist der bisherige Ortsgruppenleiter in Prerow, der Lehrer Köller, ebenfalls zur Wehrmacht eingezogen worden, – es scheint also ein anderer Ortsgruppenleiter jetzt dort zu wirken, vielleicht aus Barth oder Stralsund, der mit der Bahn eintreffen wird u. der deshalb den Volkssturm auf den Bahnhof kommen läßt. – Nun, wegen meiner Person kann sich dieser Mann die Reise nach Prerow sparen, ich werde dort nicht erscheinen.

Montag, 1. Januar 1945.     

     Unsere Andacht gestern war schwach besucht. Frau Krauss mußte nach Bln. fahren, um operiert zu werden, auch Carmen Grantz war nicht da, nur Martha, Grete, Trude u. die Mar.=Nachrichtenhelferin Regina Treffer. –

     Vormittags schrieb ich an Fritz. Nachmittags Kaffee (Bohnen) mit Küntzels, Erika hatte eine sehr gute Torte gebacken. – Abends wieder mit Küntzels zusammen unter dem brennenden Weihnachtsbaum. Wir tranken eine Fl. Pommery mit Bordeaux, Aepfel. Erika hatte ihr Kind unter den Weihnachtsbaum auf den Boden gelegt, wo der kleine Kerl überaus vergnügt herumstrampelte u. uns gut unterhielt. Martha hatte Geschenke für Küntzels zusammengestellt, die ich mit folgendem Gedicht übergab:

Immer, wenn ein Jahr zuende,
fängt sogleich ein neues an,
und man denkt bei dieser Wende,
was die Zukunft bringen kann.

Rhythmus ist des Lebens Würze,
rhythmisch reiht sich Gut an Schlecht

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Hans Brass: TBHB 1944-12-30. , 1944, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-01-01_001.jpg&oldid=- (Version vom 3.7.2024)