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hielt eine leere Ansprache in der formlosen Art, die ihm eigen ist u. die ganz gut hierher paßte. Das Einzige, was die Partei zur Sache getan hatte, diente dazu, daß die Sache nicht ganz klappte, indem Herr Deutschmann die Einladung der Leute übernommen hatte. Er hatte sagen lassen, daß die Bescherung von 11 – 1 Uhr stattfände, anstatt zu sagen: um 11 Uhr. Auf diese Weise waren die Leute eben um 11 Uhr nicht da u. wir mußten lange warten. – Anschießend daran hatte Martha dann noch die Geschenkeverteilung an Einheimische u. Mitarbeiter u. Helfer, sodaß sie erst um 6 Uhr herüberkam. – Von Neumanns bekamen wir wieder wie im Vorjahre Putenbraten mit Sauerkraut, ganz ausgezeichnet; aber wir mußten natürlich die für uns beide berechnete, sehr reichliche Portion mit Küntzels teilen, mit denen wir in der Diele aßen. So ging die Portion anstatt in zwei in fünf Teile. – Vorher, um 4 Uhr, waren unsere Soldaten da. Maaß, Mehlis u. Wolters. Martha hatte auch für sie u. für ihre ganze Stube ein Paket zurechtgemacht. Erika nahm uns zum Glück die Kaffee-Bewirtung ab u. hatte bei sich in ihrem Zimmer den Kaffeetisch gedeckt. Es gab sogar echten Bohnenkaffee. –

     Nach dem Abendessen hatten wir die kleine Bescherung. Den Weihnachtsbaum hatte ich in der Mittagszeit geschmückt, er war sehr hübsch, es brannten 17 Kerzen, die wir noch vom vorigen Jahre gespart hatten. Martha bekam von mir die Armbanduhr, über die sie sich besonders freute, sowie das Briefpapier mit ihrem Namen. Frl. Werneck u. Frau Hartmann hatten eine kleine Maria-Figur aus Holz geschnitzt, – wohl etwa 17. Jahrh., geschenkt. Von Wullenbecker, Frau Dr. Ummus Lebensmittel. Von Spangenberg eine Fl. Rotwein. Ich bekam von Martha Taschentücher u. warme Hausschuhe. Auch Küntzels bekamen reichlich, besonders Erika, die über ein Paar entzückende kleine Wildlederschuhchen für ihren Sohn sehr glücklich war. – Unter dem Weihnachtsbaum sangen wir ein Weihnachtslied, sonst mußte die Weihnachtsgeschichte leider ausfallen, da die Unchristlichkeit Küntzels dergleichen nicht zuließ. Nachher saßen wir zusammen. Ich spendierte eine Flasche Burgunder, die ich noch im Keller liegen hatte, nachher tranken wir den Spangenbergschen Rotwein. Da Paul ja ein ungemein liebenswürdiger Mensch ist, verlief der Abend wirklich sehr gemütlich. Um 11 Uhr fielen Martha die Augen zu u. wir gingen schlafen.

     Heute Morgen mußte der Tag gleich mit einem Opfer begonnen werden, indem Grete sich verpflichtet fühlte, uns zum Frühstück einzuladen, d.h. zu dem Bohnenkaffee, den wir ja auch so getrunken hätten, u. zwar sehr viel reichlicher u. vor allem sehr viel gemütlicher. Nachher um 10 Uhr hatten wir unsere Andacht mit recht guter Beteiligung – 9 Personen.

Dienstag, 26. Dezember 1944.     

     Heute Morgen das gemütliche Frühstück nachgeholt, nachdem es an Gretes Tüchtigkeit beinahe wieder gescheitert wäre. Nachher langen Brief an Ruth geschrieben u. gedankt für das Bild „Maria m. d. Kinde“, Reproduktion nach Bellini, welches sie zu Weihnachten geschickt hatte u. das zu erwähnen ich gestern vergaß. Dieses Bild ist sehr schön, sehr streng u. kubisch, unter Verzicht auf die diese Zufälligkeiten u. Gefühlsdinge, deren wir neuzeitl. Menschen so schwer entraten können. Diese Strenge u. Armut ist das, was uns not tut, ohne die nichts Neues werden kann.

     Die Lage an der Westfront scheint sich nicht wesentlich geändert zu haben. Zwar sollen unsere Truppen noch wieder Boden gewonnen haben, jedoch in die Tiefe des Raumes hinnein, nicht an den Flanken, wodurch ihre Lage

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Hans Brass: TBHB 1944-12-25. , 1944, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-12-26_001.jpg&oldid=- (Version vom 3.7.2024)