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ob wir genügend Reserven haben, um sie in den Angriffsraum zu werfen, – das wird sich bald zeigen.

Sonnabend, 23. Dez. 1944.     

     Heute Morgen von 10 – 1 Uhr Ausgabe der Weihnachtsgeschenke an die Einwohner. Die Sache war in wochenlanger, mühsamer Arbeit von Martha organisiert, sodaß sie seit Tagen völlig überanstrengt ist. Es war ja nicht möglich, einen normalen, freien Verkauf zu veranstalten, wenn man vermeiden wollte, daß einige Leute alles kauften u. die übrigen leer ausgehen würden. Es mußte also eine regelrechte Verteilung gemacht werden wie schon im vorigen Jahre, nur daß der Ort damals etwas 250 Einwohner hatte, diesmal aber 700. Es war eine enorme Arbeit, für jeden ein Paket zurecht zu machen. Dafür hat die Sache aber heute morgen vorzüglich geklappt. Es war ein furchtbares Gedränge u. meine Kasse stand nicht eine Minute still. So hatten wir die höchste Rekordeinnahme, seitdem die Bu-Stu steht, ich kassierte in diesen drei Stunden über 3000,– Rm. Dabei war es furchtbar kalt, denn der Frost ist seit gestern noch stärker geworden. Die Verteilung verlief bemerkenswert reibungslos; aber es ist noch nicht sicher, ob alle Leute zufriedengestellt sind, – wahrscheinlich nicht. Die Leute haben ja keinen Begriff von der Mühe u. Arbeit, die so etwas macht. – Von den Mithelfern sind vor allem Ilse Schuster, Carmen Grantz, Inge Meisner u. Erika Wollesen zu nennen; aber noch manche andere haben sich gleichfalls betätigt, auch Paul in den Tagen seines Urlaubs. Da seit einiger Zeit Trude Dade wieder bei uns ist, war uns auch diese eine große Hilfe. –

     Morgen soll nun die Geschenkverteilung an die ostpreußischen Flüchtlinge stattfinden, wofür Frau Lücke seit Wochen mit den Kindern gebastelt hat. Wir geben dafür nur den Raum her, aber es wird wohl noch manche Arbeit dabei herausspringen.

     Gestern Abend Erich Seeberg. Es trauert nach wie vor um Bengt, wenngleich er sich mir gegenüber auch nicht so gehen läßt.

     Unsere Offensive scheint jetzt in einen Raum von etwa 60 km. Tiefe vorgedrungen zu sein; da aber offenbar die beiden Flügel von den Amerikanern gehalten werden u. eine Ausweitung der Einbruchstelle bisher nicht stattgefunden hat, scheint der Erfolg jetzt schon in Frage gestellt zu sein. Man kann auf sie die Worte anwenden, die Dr. Goebbels im „Das Reich“ in Bezug auf unsere Gegner geschrieben hat: „.... daß eine Gewaltoffensive, die sich den vollen Sieg zum Ziele setzt, dann zu einem absoluten Mißerfolg verurteilt ist, wenn sie nicht zu einem absoluten Erfolg führt. Das liegt daran, daß für sie meistens Reserven eingesetzt werden u. auch eingesetzt werden müssen, die, wenn sich weitere umfangreiche Operationen als notwendig erweisen, fehlen, aber nicht fehlen dürfen.“ – Ob wir diese notwendigen Reserven haben werden, wird sich in den nächsten 14 Tagen herausstellen. Haben wir sie nicht, dann kann die Lage der jetzt vorgestoßenen Divisionen katastrophal werden; dann würde geschehen, was Dr. G. im gleichen Artikel kurz vorher schreibt: „Wenn es stimmt, daß wir in der Entscheidungsrunde des Krieges stehen, dann kommt es jetzt für jedes kriegführende Land vornehmlich darauf an seine Kräfte so rationell einzusetzen, daß es für die letzte Schlacht nicht völlig ausgegeben ist.“ –

     Die Russen scheinen jetzt oben in Kurland angegriffen zu haben. In Ungarn drücken sie weiter auf die Slovakische Grenze.

Montag, 25. Dezember 1944.     

     Gestern Vormittag die Weihnachtsbescherung für die Ostpreußen. Die gebastelten Sachen, vor allem eine sehr hübsche Puppenstube waren sehr hübsch aufgebaut. Es war wirklich eine Leistung, sodaß selbst Frau Siegert ihre Bewunderung aussprechen mußte. Die NSV hatte von sich aus überhaupt nichts dazu beigetragen, die ganze Last hatte auf Marthas Schultern gelegen, die so wie so schon überbelastet war. Herr Deutschmann

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Hans Brass: TBHB 1944-12-22. , 1944, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-12-23_001.jpg&oldid=- (Version vom 3.7.2024)