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Es hieß dann allgemein, daß es bis zum Abend keinen Strom mehr geben würde, weil Rostock keine Kohlen mehr hätte. Dieser Zustand solle eine Woche lang dauern. Da wir nur elektrisch Kochen, fühlten wir uns aufgeschmissen, – es war ein Zustand eingetreten, den ich seit Monaten befürchtete u. der eines Tages unvermeidlich eintreten muß. Wir beschlossen, Mittags Kaffee zu trinken u. vielleicht Abends zu essen. Das Tolle ist, daß die Behörde nichts davon verlauten läßt, daß dergleichen zu befürchten wäre, damit man sich irgendwie vorher darauf einstellen kann; aber gegen 1/2 1 Uhr Mittags wurde ebenso unvermutet der Strom wieder eingeschaltet. Wie lange, weiß man nicht u. zum Kochen ist es nun zu spät. Wir werden, falls die Stromversorgung wirklich eingestellt werden sollte, in meinem Atelier auf dem Ofen kochen, was sicher ganz gut geht.

Donnerstag, 21. Dez. 1944     

     Gestern Abend brachten uns Maaß u. Mehlis einen Weihnachtsbaum, besonders hübsch im Wuchs. Leider lag Martha mit Kopfschmerzen infolge Ueberanstrengung in der Bustu im Bett, sodaß ich die beiden nur kurz sprach. Maaß erzählte aus der Gegend Bielefeld, wo er eine Woche lang war, seine geflüchtete Familie zu besuchen. Die Verkehrsverhältnisse sind arg zerrüttet, die Stimmung der Bevölkerung sehr düster. Er sagte, daß aus der Gegend dort die Raketenbomben V2 abgefeuert würden u. daß dauernd Fliegen in der Luft wären, um die Abschußstellen zu suchen. Maaß selbst wird jetzt sein Soldatentum beschließen u. wird wieder als Studienrat tätig sein, u. zwar in Gotenhafen=Gdingen. Anfang Januar wird er dorthin fahren. Damit verlieren wir einen treuen Verbindungsmann zur Batterie.

     Unsere Offensive macht in Belgien Fortschritte, doch scheint sich der amerikan. Widerstand langsam zu versteifen. In der Nacht ist u. a. auch wieder einmal Regensburg angegriffen worden. Sonst nichts von Bedeutung. Das Wetter ist sehr trübe, aber wieder etwas kälter.

     Der elektr. Strom funktioniert wieder; aber es scheinen in vielen Teilen Deutschlands Einschränkungen eingetreten zu sein infolge Kohlenmangels, der auf die Zerstörungen von Eisenbahnen u. Kanälen zurückzuführen ist. –

     Gestern aßen wir erst um 6 Uhr zu Mittag.

Freitag, 22. Dez. 1944.     

     Nun ist doch wieder Frost eingetreten bei klarem Wetter. Die Offensive im Westen macht weiter Fortschritte, doch ist offenbar das Tempo abgestoppt. Besonders an den Rändern der Einbruchstelle scheinen die Amerikaner fest zu bleiben, sie haben sogar Monschau zurückgewonnen. Unsere Angriffsspitze scheint jetzt südlich Lüttich zu stehen. Der Keil, den wir in die amerikan. Front getrieben haben, liegt zwischen den beiden bisherigen Centren bei Aachen – Düren u. im Saargebiet. An dieser Stelle war die amerikan. Besetzung natürlich nur schwach, weshalb hier ein stark massierter Angriff gelingen konnte. Auf unserer Seite sollen 12 – 13 Divisionen eingesetzt worden sein, darunter 6 Panzerdivisionen. Die Nähe der bisherigen Centren macht es den Amerikanern leicht, sehr rasch Verstärkungen heranzubringen, was inzwischen zweifellos geschehen ist. Es wird jetzt alles davon abhängen,

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Hans Brass: TBHB 1944-12-20. , 1944, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-12-21_001.jpg&oldid=- (Version vom 3.7.2024)