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Gefr. Maaß (Studienrat) u. sein Kamerad bei uns.

     An den Fronten keine neuen Veränderungen. Die ganzen gegenwärtigen Kämpfe sind immer noch Vorbereitung auf die eigentliche Entscheidung. Auch im Osten ist es nach wie vor ruhig.

     Gestern an Fritz u. Ruth Geburtstagsbriefe geschrieben, sowie an Pfr. Dobczynski.

     Heute Morgen den Garten fertig umgegraben. Es regnet zwar viel, aber es ist nicht kalt.

     Von unserer Seite wird behauptet, daß es uns gelungen sei, die an den Rhein vorgeprellten Franzosen von ihren rückwärtigen Verbindungen abzuschneiden. Da heute vom Verbleib dieser Franzosen nichts gesagt worden ist, gewinnt das eine gewisse Wahrscheinlichkeit. Dann wären also unsere Truppen nicht abgeschnitten u. es besteht Aussicht, daß Fritz herauskommt, bzw., daß die Truppen dort verstärkt werden könnten. Aber woher soll die Verstärkung kommen?

     Der Gefr. Maaß berichtete, daß seine Familie, die Frau mit 4 Kindern, ihre Heimatstadt an der holländ. Grenze verlassen hätten. Sie sind auf Fahrrädern 150 km. bis Westfalen gefahren in vier Tagen u. sind wohlbehalten dort angekommen. Auch wir in Ahrenshoop haben weitere Einquartierte bekommen u. es sollen noch mehr kommen, obgleich alles voll ist. Auf der Dorfstraße wimmelt es von Kindern.

Dienstag, 28. Nov. 1944.     

     Zum ersten Male höre ich mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit der Wahrheit, daß ein Bonze öffentl. ausgepfiffen worden ist. Geschehen ist es in Oesterreich. Dort hat der Bonze Gauleiter Baldur v. Schirach, selbst noch ein grüner Lümmel, eine an die Front gehende sog. Volksgrenadier-Division verabschiedet. Er hat seine Rede mit der Versicherung begonnen, daß er selbst gar zu gerne mit dieser Division an die Front gehen würde, daß ihn aber leider seine Amtsgeschäfte daran hinderten. Erfolg dieses Bekenntnis war schallendes Gelächter der Soldaten, mit allerhand Zurufen untermischt. Schießlich mußte der Herr Gauleiter seine Rede abbrechen, weil die Zurufe zu doll wurden. –

     An den Fronten immer noch keine wesentlichen Veränderungen, nur sehr langsame Fortschritte der Alliierten.

Mittwoch 29. Nov. 1944.     

     Gestern Abend Walter Knecht. Seine Stotterei ist fatal. Interessieren tat mich nur, daß er mir auf meine Frage sagte, es gäbe an der Front keine Nationalsozialisten, man dürfe davon nicht einmal sprechen. So ähnlich sprach auch neulich der Unteroffz. Beichler. – Ferner schilderte er die Kampftaktik der Amerikaner. Sie trommeln mit Artillerie u. Fliegern u. schicken dann einen kleinen Stoßstrupp vor. Wenn dieser Feuer erhält, geht er sofort wieder zurück u. die Trommelei beginnt von Neuem. Auf diese Weise kommt er zwar nur langsam voran, aber er spart Menschen. Seine Ueberlegenheit an Material ist so groß, daß jeder unserer Soldaten die Aussichtslosigkeit dieses Kampfes begriffen hat.

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Hans Brass: TBHB 1944-11-28. , 1944, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-11-28_001.jpg&oldid=- (Version vom 1.7.2024)