Seite:HansBrassTagebuch 1944-10-27 001.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

mit Arm= u. Beinschuß im Lazarett in französischer Gefangenschaft liegt. Da er die Nachricht selbst geschrieben hat, läßt sich vermuten, daß es ihm nicht schlecht geht. Der alte Papenhagen ist sehr froh. –

     Gestern kam Erika zurück vom Besuch ihres Mannes in der Nähe von Bremen. Ich habe sie noch nicht gesprochen. Eben verabschiedete sich Trude, die wieder nach Schneidemühl zurückgeht – ich gab ihr Cigaretten für Paul mit. –

     An den Fronten langsame Fortschritte, nur die Russen kommen rascher vorwärts in Ungarn, wo sie jetzt im Osten an der obersten Theiss dicht vor der slowakischen Grenze sind. In Ostpreußen sind sie bei Gumbinnen.

     Im Pazifik scheinen sich jetzt sehr entscheidende See= u. Luftkämpfe bei den Philippinen abzuspielen. Die Japaner siegen natürlich unentwegt.

     Heute einen neuen Bogen aufgespannt für die neue Landschaft. Das Marien-Stilleben habe ich auf die letzte Sperrholzplatte aufgezogen, die ich besitze, – wie ich die künftigen Bilder behandeln soll, ist mir unklar. Habe Papenhagen gebeten, daß er mir Sperrholz besorgen soll, doch scheint es aussichtslos.

Freitag, 27. Okt. 1944.     

     Gestern Nachricht von Fritz vom 11. Okt. Er schickte einige Dosen Oelsardienen aus seiner Verpflegung die, wie er schreibt, immer noch sehr gut u. reichllch sei. Sonst schrieb er weiter nichts.

     Heute Morgen kamen Briketts für Küntzels, 30 Centner, die vor die Gartentür geworfen wurden. Mir blieb nichts übrig, als sie eimerweise reinzuschleppen. Bis Mittag war ich fertig, sowohl mit den Briketts, wie mit mir selbst.

Sonnabend, 28. Oktober 1944.     

     Soeben komme ich von der Beerdigung Gerda Knecht. Der Sarg war in der großen Veranda aufgestellt, – sehr viele Kränze, sehr starke Beteiligung der Menschen.

Montag, 30. Oktober 1944     

     Am Sonnabend unterbrochen durch Martha, die von Frau Beichler kam. Frau B., die ältere Stiefschwester von Gerda Knecht, die Mutterstelle vertreten hatte, war bei der Beerdigung sehr fassungslos gewesen. Es war unmöglich, daß sie mit zum Friedhof ging, so blieb Martha bei ihr.

     Der Sarg war in der großen Veranda aufgestellt. Es waren überraschend viele Kränze da, obwohl es jetzt sehr schwer ist, solche zu bekommen; die Leute hatten sie wohl selbst gemacht. Auch die Beteiligung war ziemlich groß, obschon die junge Frau in den sechs Jahren ihres Hierseins im Ort mit den Einwohnern kaum Fühlung gehabt hat. Man mochte sie nicht, weil sie allzu städtisch war u. gern die Dame spielte wie ein Sommergast. Auch Walter Knecht ist nicht sehr beliebt, er ist tatsächlich ein aufgeblasener u. eitler Mensch mit der dazu passenden Dummheit.

     Der Pfarrer aus Prerow sprach am Sarge recht gut, wenn auch reichlich lange. Prof. Reinmöller, der sich sehr um Gerda in ihrer Krankheit bemüht hatte u. die Rostocker Universitäts Klinik für sie in Anspruch genommen hatte, war sehr beteiligt, er weinte. Es scheint, daß er für diese junge Frau eine senile Altmännerliebe empfunden hat. Frau Beichler war, wie gesagt, fassungslos. Walter war nicht da, es ist ungewiß, ob er zur Stunde überhaupt weiß, daß seine Frau gestorben ist. Dafür war die alte Knecht da mit Tochter u. Schwiegersohn Matz u. auch Johanna Matz, deren Bräutigam vor einiger Zeit gefallen ist.

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1944-10-26. , 1944, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-10-27_001.jpg&oldid=- (Version vom 28.6.2024)