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Himmlers sind mit grausamster Brutalität vorgegangen u. nachdem die Bevölkerung abgeschoben war, haben diese selben SS-Männer u. deutsche Soldaten sich an's Plündern gemacht. Vor allem sind die Juwelierläden ausgeräubert worden u. in den Taschen der gefangengenommenen deutschen Soldaten haben die Amerikaner das Gold wiedergefunden. –

     Eine nette Scherzfrage hörte ich gestern: Wer hat die größte Flotte! – Antwort: Deutschland, – nämlich 80 Millionen Kohldampfer u. einen Zerstörer.

     Gestern Mittag war Herr Söhlke hier. Seine Frau war in der Nacht vorher schwer erkrankt u. in akuter Todesgefahr. – Wir sprachen natürlich vom Volkssturm u. über seine Organisation, die völlig unklar ist Klar ist nur, daß Himmler jetzt Chef der Polizei ist, Chef der SS sowohl an der Front wie in der Heimat, Chef des Heimatheeres u. nun auch Chef des Volkssturmes. Nach Soehlkes Meinung soll der Volkssturm in der Heimat als Ersatz des Heimatheeres eingesetzt werden, wenn es zu Aufruhr kommen sollte nachdem dieses Heimatheer jetzt restlos an die Front kommen soll. Diese Ansicht ist einleuchtend. Es fragt sich nur, woher man die Waffen für den Volkssturm nehmen soll, u. vor allem die Offiziere. – Erich Seeberg kam dazu u. sagte, sein Schwiegersohn, der für einige Tage hier ist u. Oberleutnant u. Adjutant bei irgend einer Dienststelle in Halle ist, habe ihm von der immer sichtbarer werdenden Vorbereitung einer neuen Waffe berichtet, welche furchtbare Wirkungen haben soll. –

     Neuerdings sollen nun die Russen auf einer sehr breiten Front etwa 30 km. tief in Ostpreußen eingedrungen sein. Auch in Ungarn haben sie anscheinend recht bedeutende Fortschritte gemacht. –

     Gestern machte ich eine Zeichnung für ein Landschaftsbild nach einer Studie aus Neu-Kunersdorf: zwei schlanke Erlen am Wasser, dahinter eine weite Landschaft mit leicht gewellten Hügeln. Sehr räumlich u. sehr einfach.

Donnerstag, 26. Oktober 1944.     

     Gestern am Spätnachmittag war Martha bei Knechts. Frau Beichler, die Schwester von Gerda, war völlig fassungslos. Martha sagt, sie habe sich an sie geklammert u. geschrieen u. sich völlig unbeherrscht benommen. Die andere Schwester Frau Bierwirth, die jetzt irgendwo im Sudetengau untergekommen ist, war auch da. An Walter ist über unsere Batterie ein Telegramm gegangen. Die Leiche soll heute aus Rostock hier eintreffen, man sagt, daß Johannsen aus Ribnitz sie abhole mit seinem Personenauto, da soll er sie in den kleinen Anhänger, in dem sonst die Koffer liegen, herbringen. Ich kann mir das nicht gut denken, denn in diesem Anhänger könnte die Leiche nicht einmal ausgestreckt liegen. Prof. Reinmöller, der sich wirklich aufopfernd um die ganze Sache bekümmert hat, soll sie selbst herbringen; – sollte nicht einmal er in der Lage sein, ein Krankenauto mit einer Bahre zu besorgen? – Martha erzählt mir, daß drüben bei Knechts die Wände der Wohnstube voll von Photographien von Gerda hängen. Sie haben alle einen Götzenkult mit dieser jungen Frau getrieben, – nun ist von all der Schönheit nur ein Häufchen Dreck übrig, das im Kofferanhänger hergeschafft wird. –

     Von Fritz haben wir lange keine Nachricht, – letzter Brief am Freitag den 13. 10. vom 3. 10., morgen sind es also 14 Tage. Ich bin in Sorge. – Papenhagens haben Nachricht über das Rote Kreuz von Walter, der in Brest gewesen war u. nun

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Hans Brass: TBHB 1944-10-24. , 1944, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-10-26_001.jpg&oldid=- (Version vom 28.6.2024)