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und Argentinien. Ueber Hitler sprach Ch. in auffallend agressivem Ton, er sprach von der Strategie des Gefreiten Schüttelhuber. – Von den Friedensverträgen, bzw. Waffenstillstandsverträgen zwischen Rußland einerseits u. Finnland u. Rumänien andererseits sagte er, daß diese in hervorragender Weise großmütig seien, daß jedoch ein Land wie Bulgarien solche Großmut nicht erwarten könne, denn dort hätten von je her die größten Kriegshetzer gesteckt. Interessant war auch, daß Ch. nur immer von Amerika, England u. Rußland sprach, während früher immer noch China als Nachkriegs-Großmacht genannt wurde. Dieses Land scheint nun abgeschrieben zu sein. Zum Schluß sprach Ch. auch vom Kriege gegen Japan, der nun in eine entscheidende Phase treten würde. Jetzt schon sei die englische Flotte im indischen Ozean versammelt in einer Stärke, die der ganzen japanischen Flotte gleich sei, während die amerikan. Flotte im Pazifik operiere. –

     Ueber das Ende des Krieges sagte er noch, daß das offizielle Ende nicht zusammenfallen brauche mit dem tatsächlichen Ende, denn man könne mit dem offiziellen Ende nicht so lange warten, bis der letzte Nazi wirklich dingfest gemacht oder vernichtet sei. Ch. nimmt als sicher an, daß diese Nazis noch eine Weile lang Bandenkriege führen würden u. daß zu deren Beseitigung eben noch eine weitere Zeit nötig sein würde. –

     Dies sind die Punkte, die mir hauptsächlich im Gedächtnis geblieben sind er hat aber noch Vieles sehr Interessantes gesagt. Auch dem heldenhaften Kampf der Luftlandedivision bei Arnheim widmete er ehrende Worte.

Sonntag, 1. Okt. 1944.     

     Der Obermaat Richter teilte telephon. mit, daß Schüler unsere Pumpe an die Fabrik zur Reparatur gesandt habe. Ich fürchte, es wird Wochen dauern, bis wir sie zurück haben.

     Gestern brachten uns die Soldaten den letzten Rest vom Koks ins Haus.

     Gestern Nachmittag Kaffee u. Kuchen im Seezimmer. Gastgeber waren Erika Wollesen u. Mann. Sie baten, meine Bilder sehen zu dürfen, doch war das Verständnis, wie zu erwarten, nicht groß. – Gestern untermalte ich das neue Stilleben.

     Gestern abend Lotte Daubenspeck, die anschaulich vom Osteinsatz in Schneidemühl erzählte. Der Transport kam abens 10 Uhr dort an u. mußte bis 1/2 1 Uhr Nachts auf dem Bahnhof stehen, weil nichts vorbereitet war. Erst dann wurden die Menschen auf Quartiere verteilt, – der Teil mit den Ahrenshoopern kam in eine Schule, die jedoch auch erst von anderen Flüchtlingen geräumt werden mußte. Erst gegen 2 Uhr morgens kamen sie hinein. Inzwischen war Fliegeralarm. – Die Menschen liegen dicht gedrängt auf der Erde auf dünner Strohschütte wie Vieh, die sanitären Verhältnisse sind skandalös, bzw. überhaupt nicht vorhanden. – Frau Schultze-Jasmer u. Frau v. Groß aus Prerow fallen besonders auf wegen ihrer betont nationalsozialistischen Gesinnung, Frau v. G. tut sich in hohen Stiefeln u. Reithosen als Lagerführerin besonders hervor. – Es ergibt sich daraus, daß es Paul sehr schlecht gehen muß, daß er aber darüber nichts schreibt. Man merkt nur aus dem Ton seiner Briefe, wie sehr er leidet. –

     Wollesen fährt morgen früh in den Einsatz. Sein Urlaub ist eigentlich heute zu Ende, doch besteht keine Möglichkeit, nach Ribnitz am Sonntag zu gelangen. – Von heute ab

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Hans Brass: TBHB 1944-09-29. , 1944, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-10-01_001.jpg&oldid=- (Version vom 25.6.2024)