Seite:HansBrassTagebuch 1944-09-22 001.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Freitag, 22. Sept. 1944.     

     Gestern kam wieder eine Nachricht von Fritz, jedoch vom 3. September datiert, nachdem wir bereits am 18. Sept. eine Nachricht vom 7. Sept. hatten. Er hatte diese Nachricht gestern einem Verwundeten mitgegeben, der den Brief dann erst am 9. Sept. in Baden irgendwo aufgegeben hat. Er schreibt, daß er 300 km. zurückgelegt habe, daß diese Fahrerei überaus anstrengend sei, daß es ihm aber gesundheitlich gut geht.

     Wir haben Ostwind bekommen u. der Himmel bezieht sich jetzt am Vormittag. Mit dem schönen Wetter scheint es nun aus zu sein.

     Gestern Abend hörte ich, daß die Amerikaner in Frankreich einen Mann namens Claude verhaftet hätten, welcher der Erfinder unserer V1=Waffe sein soll u. diese Erfindung nach Deutschland verkauft haben soll. Wenn das stimmt, dann würde es also wieder einmal mit dem überragenden deutschen Erfindergeist, mit dem man anläßlich des Einsatzes dieser Waffe so viel Propaganda gemacht hat, nichts gewesen sein.

     Seit zwei Tagen ist wieder einmal fast vollkommene Luftstille keine Angriffe, auch nicht im Westen hinter der Front. Das ist sehr auffällig, wahrscheinlich die Vorbereitung auf ein neues Unternehmen. –

     Langhinrichs ist gestern beerdigt worden. Lungenkrebs. Er war in meinem Alter.

Sonnabend, 23. Sept. 1944.     

     Heute ist das neue Engelbild fertig geworden, es hat mir sehr viel Mühe gemacht, ist nun aber gut.

     Gestern Abend zwei Briefe von Fritz, eine kurze Nachricht vom 15. u. ein ausführlicher Brief vom 16. Sept. Zu dieser Zeit war er, wie vermutet, in der Gegend von Belfort, wo man seine Truppe, eine zusammengewürfelte Horde ohne ausreichende Waffen, in den Kampf geworfen hat. Es muß sehr heiß hergegangen sein, Fr. schreibt von einer furchtbaren Artillerie-Ueberlegenheit der Amerikaner. Seine Truppe hat große Ausfälle an Toten, Verwundeten u. Gefangenen, letztere zumeist Ueberläufer, die sog. „Volksdeutschen“, die in seiner Truppe waren, sind wohl fast alle übergelaufen. Sein Oberarzt als sein direkter Vorgesetzter ist mit dem Auto verunglückt u. erlitt einen Unterschenkelbruch mit schwerer Gehirnerschütterung u. ist nun ins Reich in ein Lazarett gekommen. Mit diesem Vorgesetzten scheint sich Fr. in letzter Zeit besonders gut gestanden zu haben. Die Sanitätskraftwagen sind mitsamt den darin liegenden Verwundeten verbrannt, alle Sanitäter sind gefallen. Fr., der den San-Gerätewagen fuhr, bekam einen Granatsplitter in den Kühler, doch konnte er den Wagen noch dadurch in Sicherheit bringen, daß sein Beifahrer auf dem Kühler saß u. fortwährend Wasser nachgoß, sonst wäre Fr. in Gefangenschaft geraten. Die SS=Leute, die der Truppe zugeteilt waren, haben sich die Hoheitszeichen vom Arm u. den Totenkopf abgerissen u. ihre Soldbücher fortgeworfen, weil sie wußten, daß man sie schlecht behandeln würde, wenn sie in Gefangenschaft gerieten. Der Rest seines Bataillons besteht nur noch aus 52 Mann. – Ich nehme an, daß man dieses

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1944-09-22. , 1944, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-09-22_001.jpg&oldid=- (Version vom 23.6.2024)