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     Auch weiter im Süden an der Mosel wollen sie Fortschritte erzielt haben, doch scheint das nicht nennenswert zu sein. Die eigentlichen Operationen sind wohl noch immer im Anlaufen. – Im Osten haben die Russen Praga erobert u. bereiten den Sturm auf Warschau vor. – Vorgestern Nacht wurde Kiel schwer angegriffen, sonst aber scheint auch die verstärkte Luftoffensive gegen Deutschland noch nicht begonnen zu haben.

     Heute in der Andacht: Grete, Frau Krauß, Frau Boroffka und Carmen Grantz. Diese war in der Woche in Stuttgart gewesen u. erzählte schauerliche Sachen von den Angriffen der letzten Zeit auf diese Stadt. –

     Am Freitag abend hatten wir einen Gebetsabend, wir wollen das jeden Freitag wiederholen. Frau Krauss war da u. eine kleine Marine-Nachrichtenhelferin von der Batterie, Frl. Regina mit Vornamen.

Montag, 18. September 1944.     

     Gestern Nachmittag sind starke, alliierte Luftstreitkräfte in Holland am Rheindelta hinter unserer Front gelandet. Ueber viertausend Transport= u. Gleitflugzeuge sind eingesetzt gewesen, unsere Abwehr soll ganz unbedeutend gewesen sein. Es ist wieder typisch, daß der Radiodienst heute morgen darüber noch nichts zu melden wußte, nicht einmal die Tatsache selbst.

     Diese Taktik ist nun neu u. eröffnet weite Ausblicke. Solch eine Landung aus der Luft erfordert zunächst garkeinen Schiffsraum, sie kann deswegen verhältnismäßig leicht u. rasch durchgeführt werden, wenn man sicher ist, daß der Gegner keine starken Reserven hinter seiner Front hat, die solch einen Angriff abschlagen können. Das ist bei uns offenbar der Fall. Es ergibt sich, daß unsere Gegner diese Taktik beliebig ausbauen können, sie können landen wo sie wollen, wenn sie nur in der Lage sind, die gelandeten Truppen eine Zeit lang aus der Luft zu versorgen. Sie erreichen damit eine große Verwirrung u. eine Verzettelung unserer eigenen Streitkräfte. Ich könnte mir gut denken, daß nun auch an anderen Orten, z.B. bei Hamburg, solche Luftlandungen vorgenommen werden, vor allem aber in Dänemark, wo die einheimische Bevölkerung den gelandeten Truppen jede Hilfe angedeihen lassen wird. –

     Am 15. Sept. nachts 12 Uhr sollten unsere Truppen Finnland verlassen haben. Es war technisch unmöglich. Infolgedessen ist es zwischen deutschen u. finnischen Truppen bereits zu Kämpfen gekommen u. es ist nicht ausgeschlossen, daß es wie bei Rumänien u. Bulgarien zum Kriege kommen wird. Auch hiervon wissen die deutschen Nachrichten noch nichts. –

     Heute schickte mir Franz Triebsch durch seine Frau einige Oelfarben. So nett wie das von ihm ist, so ist es doch einigermaßen komisch, daß dieser Maler, der mich früher so leidenschaftlich bekämpfte, nun meine Malerei unterstützt.

Dienstag, 19. Sept. 44.     

     Gestern Nachricht von Fritz, Datum vom 7. Sept. Er schreibt, daß er Tag u. Nacht am Steuer sitzt u. sich etwa 120 km. vor der deutschen Grenze befindet. Es muß also die Gegend von Dijon sein. Ich glaube, daß zu dieser Zeit die burgundische Pforte noch nicht geschlossen war, sodaß man annehmen kann, daß sein Truppenteil die Grenze erreicht haben u. nun am Westwall stehen wird.

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Hans Brass: TBHB 1944-09-17. , 1944, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-09-18_001.jpg&oldid=- (Version vom 23.6.2024)