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die Verkehrswege in Jugoslawien fortdauernd angegriffen u. es scheint als ob auch angloamerikan. Truppen von der Adria her gelandet seien. Ganz Jugoslawien soll sich in Aufruhr befinden. Auch die Slowakei ist in ihrem Aufstand anscheinend erfolgreich.

     Im Westen ist Lüttich von den Alliierten genommen sowie verschiedene Orte an der Kanalküste, aber Wesentliches hat sich nicht ereignet. Offenbar wollen die Alliierten jetzt erst ihren Nachschub heran bringen, der ja immer noch über den kleinen Hafen Cherbourg gehen muß, da Le Havre von uns immer noch gehalten wird, ebenso wie Boulogne, Calais u. Dünkirchen. Auch Brest u. die anderen Häfen in der Bretagne werden immer noch von uns verteidigt. In Brest soll es zu einer Meuterei gekommen sein. Walter Papenhagen sitzt dort, hoffentlich kommt er heil heraus. Der Bruder unserer Trude Dade, Heinz, war in Toulon, er hat sich gerettet.

     Man sagt, daß Hitler jetzt eine illegitime Organisation aufgestellt habe. Diese soll die Aufgabe haben, nach der Niederlage Deutschlands geheimen Widerstand zu leisten. Es soll ein Netz von geheimen Zellen über ganz Deutschland gebreitet werden. Man wird sich also auch nach dem Kriege noch vor dieser Bande vorsehen müssen. – Frau Siegert u. Prof. Reinmöller werden ja Akteure dabei sein, bis ihnen nachdrücklichst das dunkle Handwerk gelegt sein wird.

     Die mit der Uebersiedlung von Küntzels in unser Haus verbunden gewesene Räumerei ist nun ziemlich abgeschlossen. Gestern habe ich zum ersten Male wieder in meinem Atelier malen können. Ich habe es sehr hübsch eingerichtet, es sieht viel besser aus als vorher, als Fritz hier wohnte. Es tut mir ja leid, daß er nun diesen Raum verlieren wird, aber ich werde hier nicht wieder rausgehen, – ich habe ja auch ältere Rechte auf diesen Raum, habe ihn selbst gehaut für mich als Atelier. So wie ich meine beiden Zimmer abgetreten habe, wird er mir diesen Raum auch abtreten müssen. – Grete hat sich in meinen Zimmern eingerichtet, sie wird heute zum ersten Male hier schlafen. –

Montag, 11. Sept. 1944.     

     Gestern an Ruth u. Fritz geschrieben. Am 8. Sept. bekamen wir kurze Nachricht von Fritz, datiert vom 30. Aug. Die vorletzten Nachrichten waren vom 7. u. 8. Aug. aus der Gegend von Clermont-Ferrant. Er hat in der Zwischenzeit sicher weitere Nachrichten gesandt, die aber nicht angekommen sind. Am 30. Aug. schrieb er, daß seine Truppe weiter nördlich gekommen sei, doch kann man sich kein Bild machen, wo er jetzt ist. Es scheint aber, daß seine Truppe schließlich der Gefangennahme entronnen ist.

     Gestern Abend bei Frau Longard. Sehr nett. Vorzügliche Birnen u. ein ebenso vorzüglicher Mosel. Diese Frau, die im nächsten Jahre 80 Jahre alt wird, ist noch ungemein frisch u. lebendig, sie erzählt anschaulich Dinge aus ihrem Leben, besonders aus Kaiserslautern. Auch ihre Tochter Frau Prof. Kemper, ist bei sich zu Hause weit netter als außerhalb. Sie zeigte ein Paßfoto von ihrem Mann als Soldat, er sieht furchtbar elend aus. Um 12 Uhr nachts gingen, wir erst nachhause.

     Am Sonnabend hat der Prozeß gegen Dr. Goerdeler u. seine politischen Freunde stattgefunden insgesamt sieben Personen unter ihnen Graf Helldorf, Polizeipräsident von Berlin. Heute wird bekannt gemacht, daß alle gehenkt worden sind. Goerdeler, auf dessen

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Hans Brass: TBHB 1944-09-09. , 1944, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-09-11_001.jpg&oldid=- (Version vom 22.6.2024)