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Dienstag, 23. Mai 1944.     

     Es ist so kalt, daß ich heute wiederum heizte.

     Nachmittags Eva Küntzel bei uns, ferner Frau Sulzberger u. Evi Schönherr, welche vom letzten Sonntag erzählte, daß die Amerikaner wenige Meter über den Dächern von Kükenshagen hinweg geflogen seien, doch ohne zu schießen. Am gleichen Tage haben sie auch den Eisenbahnzug zwischen Velgast u. Saatel beschossen, wie Pfr. Dobczynski heute schreibt. Evi Schönherr wollte wissen, daß es dabei mehrere Tote gegeben habe. Frau Sulzberger erzählt, daß auch ein Zug, in welchem Herr Söhlke sich befand, beschossen worden sei, in der Gegend von Zehdenick b. Berlin, auch dabei soll es mehrere Tote gegeben haben. Herr S. hat Deckung unter dem Zug genommen. Es wird jetzt immer toller u. wir sind vollständig machtlos, unsere Abwehr wird zusehends schwächer. Pfr. D. schreibt, daß am Sonntag sehr heftige Tiefangriffe in der Umgebung Barth's gewesen wäre, es scheint der ganze Kreis davon betroffen gewesen zu sein. Er teilt mit, daß der Bischof am Freitag d. 2. Juni am Nachmittag nach Barth kommen will, am Sonntag will er mittags bereits wieder abfahren. Er hofft, daß sich am Sonnabend Gelegenheit finden wird, mich dem Bischof vorzustellen. – Am Pfingstmontag, also am 22. Mai will Pfr. D. zu uns kommen u. Nachmittags 4 Uhr die hl. Messe lesen. Er will noch am gleichen Abend zurück.

     Sonst hat sich nichts ereignet. In Italien sehr langsame Fortschritte der Gegner. Evi Schönherrs Mann hofft auf Urlaub, nachdem er bis zuletzt Transporte geflogen hat zwischen Rumänien u. der Krim. Es muß das ein sehr häßliches Geschäft gewesen sein, denn von der Krim-Armee konnte natürlich nur ein kleiner Teil gerettet werden, die anderen hat man ihrem Schicksal überlassen. Hätte man die Krim früher geräumt, dann wäre es leichter gewesen u. man hätte hohe Verluste gespart.

Sonnabend, 27. Mai 1944.     

     Morgen ist hl. Pfingstfest. Nachdem es heute morgen noch trübe u. ziemlich kalt war, klärte es sich am frühen Nachmittag auf u. es wurde zugleich schön sommerlich warm, sodaß wir, das Abendbrot auf der Terrasse einnehmen konnten. Endlich scheint es also schönes Wetter werden zu wollen, nachdem dieser ganze Mai fast winterlich kalt war.

     Mit dem Garten bin ich seit heute auch ziemlich fertig. Ich bekam heute noch junge Betunien u. habe heute die letzten Dahlien eingepflanzt. Ich glaube, daß der Garten in diesem Jahre sehr hübsch werden wird, wenn der Sturm nicht wieder alles verwüsten wird. Der Apfelbaum blüht jetzt sehr schön, der Birnbaum ist abgeblüht, er wird kaum viel Früchte ansetzen, obschon er stark geblüht hat. Es war zu kalt, regnerisch u. stürmisch. Die Fliederbüsche haben sehr viele Blütenknospen, ebenso der Rotdorn.

     In Italien scheint sich das Blatt zu wenden. Es sieht aus, als ob die starken Luftangriffe auf unsere rückwärtigen Verbindungen, die ja bei der Schmalheit dieser Halbinsel sehr konzentriert möglich waren, nun doch ihre Wirkung haben. Die Gegner haben jetzt die Verbindung ihres Landekopfes bei Nettuno mit der Südfront hergestellt u. wir haben unsere Truppen auf den Südrand des Lepinigebirges zurücknehmen müssen. Es scheint ganz so, als sei das der Anfang

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Hans Brass: TBHB 1944-05-23. , 1944, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-05-23_001.jpg&oldid=- (Version vom 9.6.2024)