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nicht ohne Schießerei vor sich gegangen ist. Sie soll durch Fallschirmtruppen erfolgt sein. Die ungarische Regierung ist zurückgetreten, Horty soll den bisherigen berliner Gesandten mit der Neubildung beauftragt haben. Marschall Antonesku und sein Bruder, der in Rumänien regiert, sollen beide zum Führer geflogen sein. Auch in Bulgarien ist es unruhig. So scheint sich also jetzt die sogenannte „Europäische Front“, von der Goebbels immer so viel Geschrei gemacht hat, aufzulösen, jedenfalls wankt sie sehr stark. Auch die Slovakei ist von uns besetzt. – Heute am Tage haben die Amerikaner wieder Berlin mit 1500 Flugzeugen angegriffen. Näheres weiß man nicht, da Verbindung mit Bln. nicht zu bekommen ist. Jetzt ist es 1/2 11 Uhr u. seit etwa 2 Stunden hört man Fliegergeräusche in der Luft, aber nicht über uns. –

Sonntag, 26. März 1944.     

     Die Luftangriffe steigern sich weiter, obgleich man es kaum noch für möglich halten sollte. An einem Tage dieser Woche waren innerhalb 24 Stunden 5000 Flugzeuge über Deutschland u. es wurden 6500 Tonnen Bomben geworfen. Auch Berlin war wieder dabei. Ueber Frankfurt M. wurden bei einem Angriff von 1/2stündiger Dauer 3000 Tonnen Bomben geworfen. –

     Von Fritz erste Nachricht nach seinem Urlaub: Er ist nun bereits unterwegs irgendwo hin, oder wahrscheinlich bereits eingetroffen. Wo? – Er schreibt recht unglücklich, die Sanitätseinheit, bei der er ist, ist neu zusammengestellt, die Leute kennen sich nicht, von Kameradschaft kann also zunächst keine Rede sein. Trotzdem ist es gut, daß er endlich mal in Verhältnisse kommt, durch die er aus dem eigensüchtigen u. genießerischen Privatleben, das er bisher als Frontbuchhändler geführt hat, hinausgeworfen worden ist.

     In Ungarn Massenverhaftungen von Juden, liberalen Politikern u. Journalisten. Die Russen haben nordwestlich Czernowitz den Dnjester erreicht, weiter sudöstlich stehen sie bereits dicht vor dem Pruth –

     Heute Mittag besuchte uns kurz Herr Söhlke mit seiner Frau. Er ist nun in Bln. ebenfalls abgebrannt, muß aber dort bleiben. Er berichtete von den großen Schwierigkeiten des wirtschaftl. Lebens, markierte aber im Gegensatz zu früher den Optimisten, indem er meinte, daß im Osten eine Entscheidung nicht fallen würde trotz des Vordringens der Russen u. daß die Invasion vom Westen sehr zweifelhaft wäre, wie Cassino in Italien beweist. Außerdem zweifelt er wie so viele überhaupt daran, daß die Angloamerikaner ernsthaft eine Invasion vorhaben. Dagegen läßt sich sehr viel einwenden. Möglicherweise würde eine endgültige Entscheidung im Osten wirklich noch lange auf sich warten lassen können, aber ob wir uns den gewaltigen Aderlaß an Kriegsgerät bei der fortgesetzten Bombardierung unserer Industrie lange leisten können, ist überaus fraglich. In Nettuno u. Monte Cassino scheinen die geograph. Voraussetzungen für eine Verteidigung überaus günstig zu sein, jedenfalls kann man daraus nicht schließen, daß es anderwärts ebenso sein müßte u. wenn Söhlke dazu auf die ungeheuren Reserven hinweist, die wir noch hätten von Soldaten, die bisher überhaupt noch nie an der Front gewesen sind, so werden das eben lauter Fritz Wegscheiders sein, mit denen man keine siegreichen Schlachten schlagen kann. Die Zahl macht es nicht. –

     Pfr. Dr. Wachsmann aus Greifswald, Freund von Dr. Tetzlaff, ist hingerichtet worden. –

     Unsere Morgenandacht heute gut besucht: Schwester Grete, Frl. v. Tigerström, Frau Carmen Grantz, Martha, Trude, 5 Personen.

     Am Freitag Nachm. erstmalig die Bu. Stu. wieder geöffnet.

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Hans Brass: TBHB 1944-03-22. , 1944, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-03-26_001.jpg&oldid=- (Version vom 8.6.2024)