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dazu zu schwach fühlt, wollen ihnen die Russen dabei helfen. Diese Bedingung ist freilich schwer zu erfüllen, doch scheint es so, als wolle man sich da herumdrücken. So weit bekannt geworden ist, hat der finnische Reichstag diese Bedingung zunächst abgelehnt, wahrscheinlich, um den Deutschen Gelegenheit zum Abzug zu geben. Es heißt auch, die Deutschen hätten bereits in Schweden angefragt, ob sie durch ihr Land marschieren dürften. Dieses Ansinnen ist von Schweden natürlich abgelehnt worden. Es kommt nun darauf an, ob wir Finnland rasch räumen werden, oder ob wir im Lande bleiben u. wie in Italien unsererseits diejenigen finnischen Truppen entwaffnen werden, die zum Waffenstillstand bereit sind. Es könnte dann leicht zum Bürgerkriege kommen. Welche Haltung der Generalfeldmarsch. Mannerheim einnehmen wird, ist noch nicht bekannt, es ist möglich, daß er mit seiner Regierung solidarisch ist, – das ist sogar wahrscheinlich; aber man weiß nicht, ob sich die gegenwärtige Regierung halten wird. Kommt es dort erst zum Bürgerkriege, dann weiß man nicht, wie er ausgehen wird, nachdem dann Rußland natürlich eingreifen u. eine kommunistische Regierung unterstützen wird. Daß wir dann Finnland halten können, ist wenig wahrscheinlich.

Sonnabend, 11. März 1944.     

     Heute früh ist Fritz wieder abgereist. Er war zehn Tage hier. Frau Eitner ist wieder in Bln., sie wollte auch nach Prag, um ihren Mann zu besuchen. Inzwischen waren wieder mehrere Großangriffe auf Berlin, darunter zwei Tagesangriffe der Amerikaner. – Vom Waffenstillstand mit Finnland hört man nichts mehr; aber es ist jetzt in unseren Zeitungen etwas davon zu lesen, es scheint mir das ein Zeichen zu sein, daß unser Militär Finnland in der Hand hat u. daß die Finnen selbst darüber nichts mehr zu sagen haben. – Zuletzt hörte ich vor einigen Tagen, daß der finnische Reichstag sich mit ungefähr 120 gegen 80 Stimmen für den Waffenstillstand ausgesprochen habe, daß man aber an Rußland gewisse Aenderungsvorschläge gerichtet habe, über die verhandelt würden. – Inzwischen scheint aber unsere ganze Südfront in Bewegung geraten zu sein. Die Russen haben Tarnopol erobert u. haben so unsere Stellungen am Bug bei Winniza umgangen. Auch südwestlich von Krivoi-Rog haben sie erfolgreich angegriffen, wie auch bei Uman. – Küntzels leben sich hier gut ein, sie sind sehr dankbar.

Mittwoch, 22. März 44.     

     Die Kriegslage in der Ukraine ist inzwischen katasprophal geworden. Die Russen haben den Bug u. gleich danach den Dnjester überschritten u. stehen heute etwa 40 km. vor dem Pruth. Es heißt, der Führer hätte Manstein seines Postens enthoben. Ungarn ist von uns besetzt worden, weil der ganze Nachschub für die Heeresgruppe Süd nun ja durch Ungarn gehen muß. Es soll bei der Besetzung hier u. da zu Reibereien gekommen sein. Horty soll beim Führer sein. Rumänien soll Fühlung mit den Feindmächten aufgenommen haben, aber Finnland hat die russischen Waffenstillstandsbedingungen abgelehnt u. kämpft weiter. Wir werden sie gezwungen haben. Langsam fängt im Lande an, die Lebensmittel-Knappheit spürbar zu werden. Es gibt keine Kartoffeln u. kein Fett. Es wird bald schlimm werden. – Die Invasion von Westen her droht immer mehr, England hat ab 1. 4. 44. seine Süd-und Ostküste als Kriegsgebiet erklärt, also wird es dann wohl los gehen. Die Nervosität steigt. –

     Mittwoch=Vortrag lasse ich heute ausfallen, weil Marianne Clemens nicht da ist u. ihre Mutter Frau Ziel noch immer krank ist, sie konnte schon das letzte Mal nicht dabei sein.

Abends: Es scheint sich zu bestätigen, daß die Besetzung Ungarns

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Hans Brass: TBHB 1944-03-03. , 1944, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-03-11_001.jpg&oldid=- (Version vom 8.6.2024)