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Sonnabend, d. 5. Februar 1944.     

     Heute morgen rief Kurt's Frau Anneliese aus Bln. an, nachdem Martha sich die ganze Woche hindurch vergeblich bemüht hatte, eine Verbindung zu bekommen. Obwohl das Amt in Bln. behauptete, daß die Verbindung noch bestünde, daß sich dort nur niemand melde, war ich von Anfang an sehr skeptisch, da bisher Anneliese von sich aus nach jedem größeren Angriff bei uns angerufen hatte u. das tat sie diesmal nicht.

     Es stellte sich nun also heraus, daß tatsächlich diesmal auch ihr Haus niedergebrannt ist. Es war am Sonntag d. 30. Jan., dieser Angriff soll ja besonders schwer gewesen sein. So weit sie am Telephon sagte, hat sie nichts gerettet, außer einem Sack mit der notwendigsten, in der Eile zusammengerafften Wäsche, der aber dann gestohlen worden ist. Das Büro ist natürlich total vernichtet u. alle Geschäftsakten sind verbrannt. Sie selbst ist zum Glück ziemlich unbeschädigt geblieben u. sie hat ein Unterkommen bei ihren Eltern im Osten Berlins gefunden; aber diese haben, wie ich glaube, auch nur eine kleine 2-Zimmer-Wohnung. Sie erwartet Kurt u. hat für die Zeit seines Urlaubs ein Zimmer bei Bekannten dort in der Gegend bekommen. Mehr haben wir noch nicht erfahren.

     Es ist eine Vernichtung ohnegleichen. Zuerst brannte Klaus ab, jetzt Kurt. Damit sind die letzten Reste der Hinterlassenschaft von Max Wegscheider, so weit es sich um Möbel handelte, endgültig vernichtet. Nur dieses Haus in Ahr. ist noch übrig, aber das hat mit ihm nichts mehr zu tun, es ist durch u. durch neu von mir umgebaut. Dennoch sehe ich nun um so mehr, daß der Kauf des Grundstückes in Prerow ein guter Ausweg sein wird. Es ist doch die größte Sicherheit, die man heutzutage haben kann, wenngleich es auch immer möglich ist, daß der Staat auch solche Grundstücke eines Tages beschlagnahmt u. enteignet.

     Am Donnerstag abend waren wir bei Neumanns im Kurhaus eingeladen, wie jedes Jahr um diese Zeit. Es gab wie immer vorzügliches Essen, Brühe, Hasenbraten, Rotkohl. Leider ist dem Vater Neumann nun auch der Wein ausgegangen u. wir mußten uns mit Flaschenbier begnügen. Seit Beginn des Krieges, also seit fünf Jahren, habe ich kein Bier mehr getrunken. Was uns unter diesem Namen vorgesetzt wurde, war ein dünnes u. fades Gesöff, das sich höchst unangenehm auf die Blase schlug. – Ohne Alkohol ist, abgesehen vom Essen, solch ein Abend bei Neumanns eine reichlich langweilige Sache.

Dienstag, 8. Februar 1944.     

     Am Sonntag sagte uns Frau Monheim nach der Andacht, daß ihr Mann telephoniert habe, sie solle Ahrenshoop verlassen. Ihr jüngster Sohn Herbert verträgt das Klima hier nicht, da er eine Anlage zu Asthma hat, u. der Arzt in Bln. habe gesagt, es sei eine sofortige Luftveränderung notwendig. Aber das scheint mir doch nur ein Vorwand zu sein. Frau M. hat schon früher wiederholt Andeutungen gemacht, daß im Falle der Vernichtung der berliner Fabrik ihr Mann seinen Wohnsitz wo anders nehmen müsse, denn M's. haben drei Fabriken. Wo diese liegen, weiß ich nicht u. Frau M. ist darin überaus verschwiegen. Alle diese Fabriken sind jetzt natürlich Rüstungsbetriebe. Frau M. hat uns schon immer gesagt, daß sie im Falle der Vernichtung der berliner Fabrik dann dorthin müsse, wo ihr Mann dann sein wird. Das hat mir nie eingeleuchtet, da sie ja jetzt auch nicht dort ist, wo ihr Mann ist, nämlich in Berlin. –

     Nun scheint bei den letzten Angriffen Weissensee, wo diese Fabrik liegt, sehr stark betroffen worden zu sein, aber die Fabrik ist selbst unversehrt geblieben. Frau M. sagt, daß ihr Mann

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Hans Brass: TBHB 1944-02-05. , 1944, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-02-05_001.jpg&oldid=- (Version vom 8.6.2024)