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Sonnabend, 29. Januar 1944.     

     Heute vor 23 Jahren lernte ich Martha kennen. –

     In der Woche war Erich Seeberg da u. bedankte sich für den Brief, den ich ihm geschrieben habe, der ihm sehr gefallen zu haben scheint. Er meint, daß ich ein Mystiker sei, eine Anlage, die ihm selbst abgeht. Wir unterhielten uns über das Wesen der Mystik.

     Fritz wird kaum in Urlaub kommen. Er soll sich schon übermorgen in Fontainbleau melden. Falls er von dort nicht gleich Urlaub bekommt, was unwahrscheinlich ist, wird es wohl nichts werden.

     Die Engländer haben in der Woche zweimal Berlin angegriffen u. heute Nacht scheinen sie wieder dort gewesen zu sein. Sie nutzen das schlechte Wetter bei uns aus. Man hört von Berlin schreckliche Dinge. – Außerdem sind sie an einer neuen Stelle südlich Rom bei Nettuno gelandet u. haben einen Landekopf gebildet. Es hat auffällig lange gedauert, bis von unserer Seite Gegenmaßnahmen getroffen wurden, sodaß sie Zeit hatten, sich festzusetzen u. Nachschub heranzubringen. – Gestern besuchte uns Oberlt. Dr. Steinmetz, der jetzt bei Spezia als Marine-Artillerist sitzt. Er erzählte, daß Italien das reine Schlaraffenland sei, wo man noch alles bekommen könne. Die Italiener selbst seien zwar höflich, wollten aber vom Kriege nichts mehr wissen. –

     Eben telephoniert Martha mit Krappmanns, sie werden heute nach dem Abendbrot zu einer Fl. Rotwein kommen u. Apfeltorte, die uns Gerda Knecht gemacht hat. –

     Eben höre ich, daß die Engländer in der Nacht über Berlin waren, der zweite schwere Angriff in zwei Nächten u. der dreizehnte seit dem ersten großen Angriff Ende November. Am Tage waren heute die Amerikaner mit über 800 Bombern über Frankfurt M.

     Wo soll das hin? Dr. Steinmetz sagte mir, daß wir in Italien fast keine Flugzeuge haben u. die Luftüberlegenheit den Anglo-Amerikaner ungeheuer sei. – Gestern hörte ich, daß Churchill im Unterhaus eine Warnung an Deutschland ausgesprochen hätte, mit dem Gaskrieg nicht anzufangen. Er muß also wohl entsprechende Nachrichten haben. – Die berühmte „Vergeltung“ steht ja immer noch aus. –

     Sehr auffällig ist der verstärkte Druck, der auf Spanien ausgeübt wird. Amerika hat den Petroleum-Export nach Spanien verboten. Es sieht so aus, als wolle man nun doch in Portugal landen.

Montag, 31. Januar 1944.     

     Sonnabend Abend mit Krappmanns wieder ein sehr angeregter Abend. Er brachte eine Fl. Sekt mit, ich spendierte zwei Flaschen Bordeaux. – Er erzählte mir, er sei beim Lehrer Deutschmann gewesen, um Urlaub für Lothar zu bekommen, weil er für eine Woche mit ihm nach Schweinfurt zu Eltern u. Schwiegereltern fahren will. Bei dieser Gelegenheit hat D. angefangen, vom Religionsunterricht zu sprechen. Es sieht so aus, als hätte er Wind davon bekommen, daß ich damit wieder angefangen habe, jedenfalls hat er gewarnt, er könne mich im Ernstfall nicht vor dem Konzentrationslager schützen. Es scheint, als ob Lothar eine unbedachte Bemerkung in der Schule gemacht hat, die D. gehört hat. Ich werde vielleicht die beiden Jungens von Frau Korsch wieder nachhause gehen lassen müssen, – man muß mal abwarten. –

     Krappmann erzählte mir, daß der Oblt. Dr. Steinmetz bei Spezia eine Batterie von vier Geschützen führt, aber nur ungefähr 45 Mann Besatzung dafür hätte, während hier die Batterie nur drei Geschütze hat, wofür 230 Mann Besatzung vorhanden sind. Im Ernstfalle könnten die vier Geschütze des Oblt. St. also niemals gleichzeitig bedient werden. Dr. K. meint, daß es überall so wäre. Es stünden am ganzen Atlantikwall zwar die Batterieen aus dem Papier u. sie seien auch vorhanden, aber es sei keine Bedienungsmannschaft da. Ich fragte, warum denn die hiesige Batterie

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Hans Brass: TBHB 1944-01-29. , 1944, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-01-29_001.jpg&oldid=- (Version vom 8.6.2024)