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Donnerstag, 23. Dezember 1943     

     Gestern verteilten wir in der Bu Stu. die Weihnachtsgeschenke für die Kinder, welche die Mütter in Empfang nehmen mußten. Wir haben etwa 175 Kinder betreut, normaler Weise haben wir immer nur etwa 20 Kinder im Ort. Die Frauen gebildeter Stände, besonders die von auswärts, waren entzückt u. dankbar, daß sie trotz der Warenknappheit etwas bekamen, aber es gab auch andere, besonders unter den Einheimischen, welche nur zu schimpfen hatten u. höchst unzufrieden waren. Heute war die Verteilung an die Erwachsenen, – auch da dasselbe Bild. Morgen gehen noch die Reste an diejenigen, die ihre Sachen noch nicht abgeholt haben. Wir haben in diesen Tagen sehr große Massen an Ware ausgegeben u. haben wirklich stark geräumt. Auch die Batterie haben wir versorgt u. haben zu diesem Zweck unsere privaten Bücherbestände geplündert, so haben wir sämtliche Inselbändchen u. ähnliche kleine Ausgaben abgegeben.

     Wahrscheinlich ist es unklug, – aber man kann es nicht beurteilen. Es hört eben nach u. nach alles auf, u. einmal muß man doch alles hergeben. Schlimmer wird es nun mit den Lebensmitteln werden. Die Kartoffelernte ist miserabel gewesen u. die Rationen für die menschliche Ernährung sind herabgesetzt worden auf 2 – 2 1/2 kg. pro Woche. Das mag jetzt noch gehen, aber wenn zum Frühjahr auch von diesen Rationen noch ein Teil weggeworfen werden muß, weil er verdorben ist, dann geht eine große Hungerei los, denn die Folge davon ist, daß viele Schweine geschlachtet werden müssen, weil kein Futter für sie da ist. Der Ausfall muß dann durch Rinder ersetzt werden, u. wenn diese geschlachtet werden, gibt es keine Butter mehr. Es wird also keine Kartoffeln, kein Fett u. keine Butter mehr geben. – Im Oktober vorigen Jahres hielt Göring seine berühmte Rede, die den Zweck hatte, die sinkende Stimmung zu heben. Damals wurde die Fleischration heraufgesetzt u. Göring erklärte, es würde von nun an immer besser werden. Es ist aber immer schlimmer geworden u. wird sehr schlimm werden, denn nun gibt es keine Ukraine mehr, aus der man uns Sonnenblumenöl u. wer weiß was noch alles versprochen hatte. – Es wird in diesem Frühjahr sehr, sehr ernst werden. – Inzwischen gehen die Bombardierungen unserer Städte unentwegt weiter. Gegenwärtig sind einige der Männer der Frauen hier, die hier den Krieg abwarten wollen. Sie sehen nicht sehr fröhlich aus, besonders, wenn sie aus Berlin kommen. Auch Herr Monheim ist hier.

Sonnabend, 25. Dezember 1943.     

     Gott sei Dank, daß der hl. Abend nun vorüber ist. Der Betrieb in der Bu Stu war in der letzten Zeit unbeschreiblich. Es ergab sich, daß die ausgebombten Großstädter dankbar waren für die viele Mühe, die Martha sich gegeben hatte, jedem etwas zukommen zu lassen, während die Einheimischen, besonders diejenigen, welche in guten Verhältnissen leben, anspruchsvoll waren u. nicht genug hatten, größtenteils sich nicht einmal bedankten.

     Am späten Nachmittag war endlich die letzte Kundin bedient. Trude machte uns eine Tasse Bohnenkaffee. Den Baum hatte ich gleich nach dem Mittagessen geschmückt. Wir saßen noch beim Kaffeetisch, als Gretl Neumann kam u. uns in einem Korb zwei Schüsseln brachte, deren eine zwei ordentliche Stücke Puter enthielt, die andere Sauerkraut. Trude hatte Kartoffelsalat gemacht, den wir eigentlich

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Hans Brass: TBHB 1943-12-23. , 1943, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-12-23_001.jpg&oldid=- (Version vom 26.5.2024)