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Dienstag, 7. Dezember 1943.     

     Heute früh hörte ich noch im Schlafe eine Detonation. Da die Batterie gestern Schießen hatte, glaubte ich, daß der Knall daher käme, wunderte mich nur, daß nur ein einziger Schuß abgegeben wurde. Später stellte sich heraus, daß der Schlepper, welcher die Schießscheibe schleppt, auf eine Mine gelaufen war. Von den 25 Mann der Besatzung sollen nur neun Mann gerettet worden sein.

     Vormittags läutete Irmingard an, Klaus wünschte, daß Jens zu Weihnachten zu Hause wäre. Am Montag wird die Hausgehilfin von Frau Schmidt-Isserstädt nach Bln. fahren, die mag ihn dann mitnehmen. – Ehe Irming. anrief, hatte ich grade an Klaus geschrieben, daß wir Jens über Weihnachten hier behalten würden u. hatte ihn eingeladen, hierher zu kommen. Jens ist natürlich sehr freudig erregt.

     Gestern Abend bekamen wir erstmalig Post aus Berlin. Frau Maria Faensen schreibt, daß es bis jetzt allen gut geht, ebenso Weckmann's, dessen Sohn aber abgebrannt ist u. seine Frau ist mit lebensgefährlichen Verletzungen aus den Trümmern gezogen worden. Frau Lina Bittner in der Lüneburgerstraße ist wie durch ein Wunder unbeschädigt, obwohl sonst alle Häuser verbrannt sind. Dr. Lindner ist die Privatwohnung verbrannt, seine Praxis in der Motzstraße steht. Er schreibt, daß zwischen Nollendorfplatz u. Prager Platz etwa noch 12 Häuser stehen. Agnes Langfeld in Hermsdorf ist auch noch gesund. –

Nachmittags wurden zwei Rettungsboote des Schleppers hier angeschwemmt, das eine ziemlich große bei Partikel, ein kleiners liegt kieloben hier bei uns. Marinesoldaten von der Batterie sind beim Bergen, ein Lastauto ist da, um die Boote abzufahren. Ich ging auf die Brücke, wo ein Scherenfernglas aufgestellt war, durch das man den Schlepper gut sehen konnte. Mast u. Aufbauten ragen aus dem Wasser hervor, man sieht ihn auch mit bloßem Auge. Von einem Obergefreiten hörte ich, daß 32 Mann Besatzung auf dem Schlepper gewesen sind, von denen sich 11 Mann schwimmend an Land gerettet haben, die übrigen 21 Mann dürften ums Leben gekommen sein. –

     Gegenwärtig stehen die Zeitungen voll von albernen Glossen über die Konferenz zwischen Rosevelt, Stalin u. Churchill, die in Teheran stattgefunden hat. Man kann nur sagen, daß es einfach empörend u. verbrecherisch ist, wie dem Volk dieses Ereignis lächerlich zu machen versucht wird, obwohl es sich dabei um die letzte Vorbereitung des endgültigen Todesstoßes für Deutschland handelt. Der Reichspressechef Dr. Dietrich hat als einzige, nennenswerte Abwehr, die seitens der Regierung unternommen wurde, sämtliche Journalisten zusammengetrommelt u. ihnen eine der üblichen, langen Reden gehalten, die in den Zeitungen Wort für Wort abgedruckt ist, die aber kein Mensch liest, weil man schon aus den Schlagzeilen der einzelnen Abschnitte erkennt, daß es sich um die schon tausendfach gehörten Plattheiten handelt. In Wahrheit aber haben die Drei in Teheran nun ihre schon längst vorher ausgearbeiteten Pläne festgelegt u. miteinander in Einklang gebracht, ihre Verwirklichung werden wir im kommenden Jahre erleben. Die Russen werden uns auch den Winter über mit ihren Angriffen weiter zermürben, die Angriffe in Italien werden dasselbe tun, die Luftangriffe auf unsere Städte u. Industrie werden noch wesentlich gesteigert werden u. spätestens im Frühjahr wird die Landung irgendwo im Westen erfolgen. Unsere Regierung weiß demgegenüber nichts anderes, als diese Dinge lächerlich zu machen, als ob die Drei diese ungeheure Reise gemacht hätten, um bloß einen großen Bluff zu veranstalten. Keine Strafe ist genug für diese Verbrecher.

     Je mehr es zum Ende geht, um so toller werden die Maßnahmen dieser Leute. In Oslo haben sie sämtliche Studenten verhaften lassen u. auch die Dozenten, es sollen 1500 sein,

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Hans Brass: TBHB 1943-12-07. , 1943, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-12-07_001.jpg&oldid=- (Version vom 26.5.2024)