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„Das Volk will Taten sehen!“ – Diese Taten bestehen nach Dr. Goebbels zunächst einmal darin, daß alle Nachtlokale, Amüsierbetriebe u. Luxusrestaurants geschlossen worden sind u. Herr G. nahm Gelegenheit, hierbei aufreizend von den Besuchern dieser Lokale zu sprechen. Sodann verkündete er, daß er das Reiten auf Straßen u. öffentlichen Plätzen verboten habe, damit die schlichte Arbeiterfrau von solchem Anblick nicht schockiert werde. Im Grunewald u. sonstwo ist das Reiten demnach also auch weiterhin erlaubt. Es ist also praktisch so, daß die reichen, draußen wohnenden Leute davon unberührt bleiben, während die in der Stadt gelegenen Reitinstitute, die ihre Pferde stundenweise vermieten, nun sehen können, wie u. wo sie künftig ihre Pferde bewegen können. „Das Volk will Taten sehen!“ – Sodann kündigte Herr G. rücksichtslose Maßregeln gegen Drückeberger, besonders Frauen der höheren Kreise an u. erging sich in aufreizenden Bemerkungen über diese „Nichtstuer“. Zum Schluß stellte Herr G. zehn Fragen, die natürlich alle mit Begeisterung bejaht wurden: ob das deutsche Volk noch das Vertrauen zum Führer habe, – ob es den Krieg bis zum Weißbluten fortsetzen wolle, – ob das Volk sechzehn Stunden täglich arbeiten wolle usw. – – Vor einiger Zeit erzählte Herr Dr. W. –, der wieder einmal in Berlin bei seinen Parteifreunden gewesen war, – wie diese Freunde, die ausnahmslos gut bezahlte Parteiposten haben, im Luxus schwelgen. Sekt wird wie Wasser getrunken u. die Speisetafel biegt sich unter der Last der Speisen, wenn diese Leute ihre Gelage veranstalten. Einige seiner Freunde waren bei Herm. Göring zum Geburtsag gewesen, dort war dasselbe Bild. Göring schenkte seiner Frau ein schweres, goldenes Armband. Wenn wir Gold haben, ohne es abzuliefern, steht darauf Zuchthaus. – Die gestrige Veranstaltung im Sportpalast wirkte auf mich wie ein gellender Schrei der Angst, – man kann vermuten, daß es noch viel schlimmer steht, als wir ahnen. Zugleich war die Veranstaltung eine Kampherspritze für das Volk u. eine zunächst noch etwas vorsichtige Aufreizung zum Klassenhaß. Die Wut des Volkes soll rechtzeitig abgelenkt werden.

Sonntag, 21. Februar 1943.     

     Gestern den Entwurf für Fritzens Kriegstrauungs=Anzeige fertig gestellt. Nachmittags rief Erichson an, der grade gekommen war. Ich fragte ihn, ob Klischierung u. Druck möglich sei. Er sicherte mir zu, daß er alles machen wolle. Abends Dr. Wessel, ein politischer Kannegießer. Als er kam, war er voll Zustimmung zur Goebbels=Rede. Ich fragte ihn dann nach u. nach aus über das, was er von der Geburtstagsfeier Goerings wußte. Danach muß es also sehr hoch hergegangen sein. Eine z. Zt. berühmte Sängerin – ich kenne ihren Namen nicht weiter – hat dabei mitgewirkt u. für ihre Bemühung ein goldenes Armband mit Brillanten erhalten. Der ganze Festrummel soll einschließlich der Geschenke, die deutsche Firmen gemacht haben! – einen Totalwert von schätzungsweise 5 – 6 Millionen Mark gehabt haben. Also auch hier „totaler Krieg“. – Ich fragte dann weiter, ob Emmy Goering

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Hans Brass: TBHB 1943-02-19. , 1943, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-02-21_001.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2024)