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worden ist u. daß diese sogenannten Deutschen, – genauer: „Preußen“ eben tatsächlich heute, „ein fremdrassiges Volk, in deutscher Sprache seine fremden Gedanken ausdrückend“ sind?! – Herr Hitler, der Oesterreicher, ist es ja grade, der für dieses, „fremdrassige Volk“ der Preußen die Führung beansprucht u. es ist eigentlich erklärlich, daß dieses fremdrassige Volk ihm dafür zujubelt. –

Donnerstag, den 28. Januar 1943     

     Gestern wurde im Radio bekannt gegeben, daß sich Churchill u. Roosevelt in Casablanka getroffen u. eine Konferenz von zehntägiger Dauer über die Fortsetzung des Krieges abgehalten haben. Die gewiß sensationelle Nachricht, daß der amerikanische Präsident diese Reise nach Nordafrika unternommen hat, wie überhaupt diese ganze Konferenz, wurde bei uns zum Anlaß genommen, einen spöttischen u. witzelnden Kommentar im Rundfunk zu geben. Es ist zu erwarten, daß uns diese alberne Witzelei bald vergehen wird. Vorgestern Nacht waren erstmalig amerikanische Bomber über Wilhelmshaven u. wenn das schwere Motorengeräusch, das wir gestern abend hörten, nicht täuscht, so sind sie wieder über uns hinweggeflogen. – Natürlich wurde bei uns bewitzelt, daß Stalin zu dieser Konferenz eingeladen war, aber nicht erschienen ist, angeblich, weil er die Offensivaktion gegen uns selbst leitet u. deshalb unabkömmlich gewesen sei. Selbstverständlich ist das nur ein Vorwand u. man kann daraus wohl entnehmen, daß die Gefühle des Herrn Stalin gegen seine Bundesgenossen nicht übermäßig herzlich sind. Das ist nicht anders zu erwarten, denn so dumm ist Stalin auch nicht, daß er die innere Einstellung seiner demokratischen Bundesgenossen gegen den Bolschewismus nicht richtig erkennte. Und dieses ist in der Tat der einzige, schwache Hoffnungsschimmer, den wir Deutschen in der sonst nachtschwarzen Zukunft haben. Zum Witzeln haben wir aber wahrhaftig keinen Anlaß. –

Die Ergebnisse dieser Konferenz werden nun ja bald offenbar werden. Die Offensive der Russen scheint ja jetzt etwas zum Stillstand gekommen zu sein. Das furchtbare Geschehen in Stalingrad dagegen nimmt seinen unerbittlichen Fortgang. Dieses Geschehen ist ein Wahrzeichen für das, was geschehen wird. Hitler hat ja wiederholt erklärt, daß er niemals kapitulieren werde, d.h. mit anderen Worten, daß ganz Deutschland das Schicksal Stalingrads erwarten muß, falls nicht etwas Anderes geschieht. Das aber ist nicht zu erwarten, nachdem sich Hitler, Göring u. Himmler mit einer treu ergebenen Leibgarde umgeben haben, die im Laufe dieses Krieges ganz unauffällig immer mehr verstärkt worden ist. Aus dem früheren Regiment Herm. Göring ist inzwischen eine ganze Division geworden. Wenn es da einmal zum Bürgerkriege kommt, kann das ja nett werden! Die Hoffnung ist, daß Amerika u. England möglichst rasch ganz Deutschland besetzen werden, um uns vor dieser Grausamkeit zu bewahren. Sie werden das ja wohl tun müssen, denn dann wird wohl eine Auseinandersetzung mit Rußland unvermeidlich sein. England hat den Russen das Blaue vom Himmel herunter versprochen, aber gleichzeitig

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Hans Brass: TBHB 1943-01-26. , 1943, Seite 004. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-01-28_001.jpg&oldid=- (Version vom 25.4.2024)