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freilich kaum noch etwas zu bekommen.

     Gestern war wieder Frau Prof. Heydenreich bei uns, sie trank eine Tasse Kaffee bei uns. Die arme Frau sieht sehr verhungert aus. Sie ist zu fremd hier u. ist mit den Einwohnern nicht bekannt. Dazu kommt, daß ihre Schwiegermutter unter den Einheimischen sehr unbeliebt ist, da sie wirklich eine überaus kleinliche u. geizige Person ist, – u. so bekommt die Schwiegertochter auch nichts zugesteckt. –

     Im Geschäft war gestern unser Kohlenhändler aus Niehagen, den ich bisher noch nie persönlich kennengelernt habe. Er ist Oberfeldwebel bei der Luftwaffe u. hat am Hohen Ufer die Luftwache unter sich. Er erzählte mir allerhand interessante Dinge u. scheint ein auffallend vernünftiger Mann zu sein, der einen sehr guten Eindruck machte. Er sagte mir, daß in seinem ganzen Zug nur ein wirklicher Nationalsozialist sei, alle andern sind es nicht.

     Unser Amtsvorsteher, der natürlich Nationalsozialist ist u. der es bisher meisterhaft verstanden hat, sich von der Front zu drücken, ist nun endlich doch eingezogen worden u. alles freut sich. Als sein Vertreter ist der Beamte des Landratsamtes Maßmann ernannt worden, ein vernünftiger Mann, Teilnehmer des ersten Weltkrieges u. Schwerkriegsverletzt. Da auch unser Ortsgruppenleiter, der Lehrer, vernünftig ist, so ist jetzt unser ganzer Amtsbezirk ziemlich rein, denn unser Bürgermeister, der Malermeister Emil Gräff ist ein ziemlicher Trottel u. hat nichts zu bedeuten. Jedenfalls sind nun die beiden eigentlichen sog. Hoheitsträger der Partei zwar Mitglieder der Partei, aber im Herzen nicht dabei. Der Führer schreibt in „Mein Kampf“, daß es der Tod der Partei sein würde, wenn einmal diese Partei eine Massenpartei werden u. dadurch von innenher ausgehöhlt werden würde. Das ist nun nach neun Jahren bereits weitgehendst der Fall!

Montag, 21. Dezember 1942.     

Gestern Nachmittag Besuch von Oblt. Dr. Krappmann, der mir einen Bericht über die allgemeine Kriegslage, herausgegeben vom Oberkommando der Marine, zur Durchsicht gab. Wenngleich in diesem Bericht auch nicht alles gesagt wurde, z. B. garnichts über die katastrophale Lage bei Stalingrad, so waren doch verschiedene sehr interessante Einzelheiten darin enthalten, aus denen, – wenn man zwischen den Zeilen liest – zu erkennen ist, wie gefährlich die Lage in Nordafrika ist. – Dr. K. erzählte auch, daß der Generalstabschef des Führers wirklich entlassen ist, was ich schon gerüchtweise gehört hatte. Generaloberst Halder soll nach dem Durchbruch bei Charkow entweder die Offensive gegen Stalingrad, oder die Offensive gegen den Kaukasus gewollt haben, der Führer aber wollte beides zugleich. Nachdem nun beides schief gegangen ist, wird Halder als Sündenbock davongejagt. –

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Hans Brass: TBHB 1942-12-20. , 1942, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1942-12-21_001.jpg&oldid=- (Version vom 25.4.2024)