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Abendverkäufe oft bis 11 Uhr Abends aus u. was da gestohlen worden ist, sowohl von der Kundschaft wie von Angestellten, das läßt sich garnicht berechnen. Außerdem aber ist Maria dann am nächsten Tage müde u. abgespannt u. sie kann dann das ordentliche Geschäft nicht ordentlich erledigen. Die Folge ist neuer Verlust.

     Ebenso ist es mit der Sonntagsarbeit. Wir haben gesetzlich das Geschäft von 11–1 Uhr u. von 4–6 Uhr auf. Heute Vormittag hatten wir in der Stunde von 12–1 einen großen Umsatz u. die Folge war, daß Maria gleich nach dem Essen wieder ins Geschäft wollte, anstatt ruhig bis 4 Uhr zu ruhen. Es gab deshalb wieder eine Verstimmung u. ich selbst habe gestreikt u. bin am Nachmittag auch in der gesetzl. Zeit von 4–5 Uhr nicht hingegangen. – Wenn Maria in dieser Art unbelehrbar ist, wird es, wie ich fürchte, eines Tages zu einer Auseinandersetzung kommen müssen. Ich kann das nicht ertragen. Am Sonntag Morgen fahren wir regelmäßig nach Müritz, wir wohnen der ersten, stillen Messe bei, kommunizieren, – gehen dann noch ins Hochamt, – aber kaum sind wir wieder zuhause, dann geht schon wieder dieser wiederliche Geschäftsrummel los, als ob es keinen Gott gäbe. Jeder Gedanke an Gott ist dann wie ausgelöscht u. nur noch das Geld herrscht. – Wozu fährt sie dann nach Müritz? – Das ist die Heuchelei, die ich so hasse. Sie geht in die Kirche u. erbaut sich u. läßt sich tragen von einem frommen Gefühl u. von der lievevollen Art der Schwestern; aber auch dann nachher Gott die Ehre zu geben, – das fällt ihr nicht ein. Auch jetzt ist es schon wieder 1/2 7 Uhr, – das Geschäft soll seit einer halben Stunde zu sein, aber ich kann vom Fenster aus sehen, daß der Betrieb dort ruhig weiter geht. Ich fürchte, daß das kein gutes Ende nimmt, – es wird hart auf hart gehen müssen.

     Maria erkennt an unserer Frl. Schmidt, die sich als eine recht oberflächliche Katholikin erwiesen hat, zu welcher häßlichen Heuchelei das führen muß; aber in der Tat handelt sie nicht viel anders. Nur daß Frl. Schmidt eine kleine u. kümmerliche Seele hat, die sie zu verbergen sucht, indem sie täuscht u. heuchelt, sodaß man ihr nicht vertrauen kann, während Maria innerlich naiv ist u. nicht weiß, was sie tut. Sie erkennt nicht die Gefahr, in die sie sich selbst begiebt. –

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Hans Brass: TBHB 1937-06-20. , 1937, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1937-06-20_002.jpg&oldid=- (Version vom 5.4.2024)