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die Vesper beten. Das wird sicher sehr schön werden.

     Gestern Abend bat das junge Ehepaar Bittner Maria u. mich zu einem kleinen Abschiedstrunk. Herr B. hatte eine Flasche Sekt mitgebracht, die wir gemeinsam austranken. Dabei kam das Gespräch zuerst auf Politik, welches ein gefährliches Thema ist, weil beide überzeugte Nationalsozialisten sind, u. dann auf Religion, – ein noch gefährlicheres Thema! Zufällig war ich grade gestern ziemlich klaren Geistes, sodaß ich viel sprach u. logisch den kathol. Standpunkt darlegen konnte. Ich hatte den Eindruck, daß meine Gedanken überzeugend waren, sodaß die jungen Leute keine Einwendungen machen konnten, vielmehr im Gegenteil sich willig von mir in eine ihnen fremde u. sonst verschlossene Gedankenwelt führen ließen. Ich bin sicher, daß dieser Abend sehr fruchtbar gewesen sein wird. Auf jeden Fall sind beide von einem fremden Geiste angeweht worden, – einem Geiste, nach dem sie irgendwie unbewußt eine heimliche Sehnsucht haben u. den sie entbehren. Diese Menschen sind so wie jemand, der um sein Erbteil betrogen worden ist, aber sie wissen es nicht. Nur manchmal dämmert ihnen eine Ahnung von dem Reichtum, den sie eigentlich besitzen sollten, auf den sie ein Anrecht haben.

     Im Geschäft, der Bunten Stube, geht das Leben langsam an. Es war in diesen Tagen fast immer zu kalt, um etwas dort zu tun, trotzdem habe ich ein wenig gezimmert, um eine bessere Möglichkeit der Auslage zu erreichen. Es ist so schwer, hier Handwerker zu bekommen, man kann nur das Notwendigste machen lassen u. auch hiervon bleibt manches unausgeführt. –

     Fritz ist voller Tätigkeit u. Fröhlichkeit. Er freut sich, daß wir hier sind. Auch die Dorfleute freuen sich, wenn sie mich begrüßen. Das ist alles sehr nett u. schön.

Donnerstag, den 6. Mai 1937. Chisti Himmelfahrt.

     Am vergangenen Sonntag waren wir wieder in Müritz. Das Wetter hatte sich gebessert u. die Wege waren etwas abgetrocknet, sodaß die Fahrt nicht ganz so lebensgefährlich war, wie das erste mal. –

     Es war schön wie immer. Die etwas geschwätzige Schw. Wilhelma ließ sich nicht sehen u. so konnten wir mit der Schw. Oberin gemütlich beim Frühstück plaudern. Diese ausgezeichnete Frau brachte uns auf eine großartige Idee. Sie meinte, wir sollten doch auch im Winter in Ahrenshoop bleiben u. erholungsbedürftige, geistliche Herren aufnehmen, die dann bei uns täglich die hl. Messe lesen. Es ließe sich das ja recht gut machen, da im Hause Zentralheizung ist u. alle Zimmer warm sind. Ein Pfarrer oder Kaplan könnte gut im Parterre-Zimmer ganz ungestört für sich wohnen, u. das andere Parterre-Zimmer könnte für den Winter als richtige Kapelle eingerichtet werden, – u. wenn das erst einmal eingerichtet ist, dann könnte schließlich auch im Sommer ein geistlicher Herr hier sein. Es würden sich dann im Sommer schon noch ein paar Katholiken dazu finden. Ich selbst würde dann als Ministrant dienen u. überhaupt alles in Ordnung halten. Diese Idee ist jedenfalls sehr zu überlegen.

     Nach dem Frühstück sprach ich mit Rektor Dütemeyer über Maria unter vier Augen. Der Pater Fühler, der im Herbst in Müritz die Exerzitien gehalten hat, hat sich mindestens sehr unklug benommen u. hat Maria durch seine Beichtpraxis derart erschreckt, daß sie davon einen Chok bekommen hat. Sie ist im ganzen Winter nur einmal zur Beichte gewesen bei Pater Krächan u. das scheint sehr schwierig gewesen zu sein. Ich habe dem Rektor die Sache offen dargelegt u. ihn gebeten, den Versuch zu machen,

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Hans Brass: TBHB 1937-04-28. , 1937, Seite 003. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1937-05-06_001.jpg&oldid=- (Version vom 31.3.2024)