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der christlichen Existenz, sie setzt die Erreichung des Zieles als „eigentlich“ schon erreicht voraus. – Diese Vermessenheit ist Mangel an Demut, Verneinung der realen Geschöpflichkeit u. seinswidrige Beanspruchung der Gottähnlichkeit. – Hoffnung setzt Hochgemutheit, aber auch Demut voraus.

     Verzweiflung u. Vermessenheit versperren den Zugang zum echten Gebet, das Gebet ist das Sprechen der Hoffnung. Der Verzweifelnde bittet nicht, weil er die Nicht=Erfüllung vorweg nimmt, der Vermessene bittet nur u. höchstens uneigentlich, denn er nimmt die Erfüllung vorweg. Die Hoffnung dagegen ist demütig genug, wirklich zu bitten u. zugleich ist sie hochgemut genug, die Erfüllung mitwirkend zu erwarten. Darum: „betet allezeit ohne nachzulassen“. –

Montag, den 27. Juli 1936.

     Gestern wieder in Müritz, – schön wie immer. Wir hatten eine junge Dame mit, welche als Erzieherin in Stellung ist bei einer protestantischen Familie. Sie war vor mehreren Jahren in Müritz gewesen als Helferin bei Kindern u. kannte einige der älteren Schwestern noch. – Außerdem hatten wir wieder einen Koffer voll Sachen mit für das Heim u. für den langen Rektor einen Bademantel. Der Name des Rektors ist übrigens Dütemaier (oder Dütemüller?)

     Hier in Ahrenshoop hatte ich dann zum ersten male Gelegenheit, ein nationalsozialistisches Fest aus der Nähe zu beobachten. – Man hat vor 2 oder 3 Jahren außerhalb des Dorfes nach dem Darß zu zwei Blockhäuser erbaut, die damals als Erholungsheim für Flieger gedacht gewesen sein sollen. Aus irgend welchen undurchsichtigen Gründen sind die ziemlich großen Häuser indessen niemals ihrem Zweck zugeführt worden u. sie sind von der Hand einer nationalsozialistischen Formation in die andere gegangen. Jetzt neuerdings hat irgend eine neue Formation, die irgend etwas mit der Luftfahrt zu tun haben will, diese Häuser übernommen u. hat ein „Wirtschaftsgebäude“, – d.h. eine Küche, – dazu gebaut. Das ganze soll nun als „Urlauberheim“ für diese Formation dienen. Dieser Küchenneubau wurde gestern eingeweiht. Zu diesem Zweck hatte man mehr als 1000 Menschen hier zusammengetrieben, teils aus Berlin. Der Staatssekretär General Milch mußte dazu Reden halten u. Fronten abschreiten, – es gab 2 Musikkapellen, Umzüge u. Volkstänze, zu welchem Zweck einige Volksgenossen in eine Tracht gesteckt worden waren, welche angeblich einmal Vorpommersch gewesen sein soll. Am Abend gab es dann noch einen Fackelzug mit der üblichen Musik. Kurzum, es war ein Volksauflauf erster Güte, riesige Lastautos hatten die Leute zusammen gebracht, um die Fertigstellung dieser Küche gebührend zu feiern. Da das Dorf durch die Sommergäste so wie so überfüllt ist u. da außerdem noch viele Leute aus der Umgegend bis Rostock zusammengeströmt waren, läßt sich leicht vorstellen, welcher Betrieb hier herrschte. Viele von diesen Leuten fanden am Abend keine Gelegenheit mehr, nach Ribnitz oder Rostock zurück zu kommen u. da im Dorf auch keine Betten mehr zu haben waren, mußten diese in den Nachbardörfern schlecht u. recht übernachten. – Das Ganze war ein Tag des Lärms u. des Radaus. Die Gastwirte haben vermutlich ein gutes Geschäft gemacht u. auch Marias Geschäft hat einen Großkampftag gehabt im Verkauf

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Hans Brass: TBHB 1936-07-27. , 1936, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1936-07-27_001.jpg&oldid=- (Version vom 4.4.2024)