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unmöglich sei, die lichtlosen u. dornenvollen Wege, welche jede Seele zurücklegen müsse, wenn sie in den Stand der Vollkommenheit gelangen wolle, zu beschreiben. Wer diese Wege zurückgelegt habe, wisse, was es darum ist, und doch werde es ihm an Ausdrücken mangeln. Deshalb wolle er dieses Buch „Aufstieg zum Berge Karmel“ nicht schreiben, indem er sich auf sein Wissen u. seine Erfahrungen stütze, sondern er wolle sich von der Gnade Gottes führen lassen u. von der Heiligen Schrift, aus der ja der Heilige Geist spräche.

     Zweck des Buches soll sein, der großen Bedrängnis mancher Seelen abzuhelfen, nämlich derjenigen Seelen, welche zwar den Pfad der Tugend betreten haben, „die aber, sobald sie von Gott in jene dunkle Nacht eingeführt werden, durch die sie zur Vereinigung mit Gott gelangen sollen, nicht mehr weiter finden.“

     Wenn Joh. v. K. diesen Zweck seines Buches einigermaßen erfüllt, dann wird sein gründliches Studium für mich von unschätzbarem Nutzen sein, denn auch ich gehöre zu diesen Seelen. Nicht, daß ich mich scheue, in diese dunkte Nacht einzugehen oder davor zurückschrecke; aber wohl fehlt es mir an einem tüchtigen u. erfahrenen Führer. Kaplan Dr. Tetzlaff ist zu jung, um ein solcher Führer zu sein, er hat ja selbst noch diesen Weg vor sich, auf dem mir nicht einmal ein Pater Athanasius Krächan Führer sein konnte. Ich kenne in der Tat niemanden, so viel ich bisher auch gesucht habe, dessen Führung ich mich anvertrauen könnte auf diesem Wege. Wohl haben mich viele bis zum Beginn dieses Weges geführt; aber hier bleiben sie alle stehen. So sei also Du, hl. Johannes v. K., der Du ja auch mein Namenspatron bist, Führer auf diesem Wege, – ich will mich Dir gläubig u. vorbehaltlos anvertrauen, Führe Du mich auf diese hohe Stufe, auf den Gipfel des Berges Karmel, führe u. belehre mich, und wenn es mir zuweilen an der nötigen Willenskraft u. Einsicht fehlt, dann bitte Du, hl. Johannes v. K. gemeinsam mit dem hl. Johannes d. T. unsere liebe Mutter Maria, die Ausspenderin aller Gnaden, daß sie mir die Gnade schenken möge den Aufstieg zu vollbringen. Möge mir die helfende Gnade Gottes stets zur Seite stehen u. möge ich selbst niemals aufhören, mit dieser helfenden Gnade im rechten Sinne mitzuwirken, dann muß der Aufstieg gelingen, denn Gott der Herr will es. Wenn ich nur stets den Willen Gottes klar erkennen möchte u. meinen eigenen, vorlauten Willen zum Schweigen bringe, dann wird es gelingen. Das ist ja der große Fehler meines Lebens gewesen, daß ich stets Gott entgegengearbeitet habe durch meine unbesonnenen Handlungen u. mein Widerstreben, u. deshalb hat Gott mich strafen müssen. Nicht im Zorn hat Er mich gestraft, nein, aus lauter barmherziger Liebe strafte Er mich. Mein Unfall mit den fünf zerbrochenen Knochen, mein langes, schmerzhaftes Krankenlager: alles das war reine, barmherzige Liebe Gottes, um mich, den trotzig Widerstrebenden, auf den rechten Weg zu zwingen. Mein Gott, an Deine Liebe kann ich nicht denken, ohne daß mir das Herz zittert u. daß mir die Tränen kommen.

     Und das grade versprichst Du mir nun, hl. Joh. v. K. Du willst mich lehren mich der Führung Gottes zu überlassen. Soll ich Dich da etwa nicht lieben? Soll ich Dir etwa nicht vertrauen? Ja, ich will Dir vertrauen, will mich von Dir führen lassen, wie sich ein Kind von seinem Vater führen läßt.

Mittwoch, den 7. November 1934.     

     Heute war der Tag, an dem ich zum Wohlfahrtsamt bestellt war. Fast hätte ich‘s vergessen. Als ich zum Rathaus Friedenau kam, stellte sich heraus, daß ich nicht dorthin, sondern zum Rathaus Schöneberg bestellt war. Mir wurde die Sache immer unheimlicher.

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Hans Brass: TBHB 1934-11-06. , 1934, Seite 003. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1934-11-07_001.jpg&oldid=- (Version vom 25.9.2024)