Seite:Grimms Märchen Anmerkungen (Bolte Polivka) I 298.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Mutter läßt aus Neid dem Mädchen Hände und Füße abhacken; die alte Königin treibt sie mit ihren beiden Kindlein in den Wald, wo zwei Männer ihr gesunde Hände und Füße als Patengeschenk für ihre Söhne verleihen. Angehängt ist das Brüdermärchen, unsre nr. 60). – Aus Ödenburg bei Bünker nr. 101 ‘Armreich und Schmerzenreich’ (Anfang wie Zingerle; die Schwieger vertauscht die Briefe). – Aus Österreichisch-Schlesien bei Peter 2, 197 ‘Die hl. drei Könige’ (Eingang fehlt. Die von der Schwieger verstoßene Königin gebiert drei Söhne Caspar, Melchior und Balthasar). – Aus dem Oberharz bei Pröhle, KVM. S. 122 nr. 36 ‘Die schöne Magdalene’ (die Mutter läßt der schönen Tochter aus Eifersucht die Arme abhacken und vertauscht später die beiden Briefe. Eine Stimme im Walde heißt die junge Königin ihre Stümpfe in die Quelle tauchen; ein Löwe und ein weißes Männlein dienen ihr). – Vlämisch bei de Mont & de Cock, Wondersprookjes S. 225 ‘Van het meisje zonder handen’ (der Bruder schlägt der von seiner Frau verleumdeten Schwester die Hände ab; ein Hund bringt ihr Brot; Briefvertauschung durch die Schwägerin; Christus und Petrus geben die Hände wieder).

Der Stoff des Märchens erscheint zuerst gegen Ende des 12. Jahrhunderts im südlichen England und ist bis ins 17. Jahrhundert häufig dichterisch behandelt worden[1]:

1. Vita Offae primi, um 1200. Vgl. oben S. 20¹ zu nr. 3.

2. La belle Hélène de Constantinople, Epos des 13. Jahrh. Vgl. Romania 22, 566. – In Prosa bearbeitet von Jehan Wauquelin 1448 (Messager des sciences historiques, Gand 1846 p. 192) und als Volksbuch in Frankreich, Deutschland, Holland, Dänemark, Schweden und Island verbreitet (Nisard, Hist. des livres populaires 2, 459. Merzdorfs Büheler S. 15. Simrock, Volksbücher 10, 501. Mone, Ndl. Volksliteratur S. 64. 192. Kalff, Nederl. letterkunde in de 15. eeuw 1, 386. R. Köhler 2, 511. Nyerup, Morskabslæsning S. 139. Bäckström, Svenska folkböcker 1, 184. Ward, Catal. of romances in the British museum 1, 865). – Vgl. den Seelentrost (Frommanns Deutsche Mundarten 2, 6 nr. 76).

3. Mai und Beaflor, ed. Pfeiffer 1848.


  1. Vgl. Philippe da Beaumanoir, Oeuvres poétiques éd. Suchier 1884 1, XXIII–XCVI. CLIX; auch Suchier, Paul-Braunes Beiträge 4, 512–521 (1877). Puymaigre, Folk-lore 1885 p. 253–277. Cox, Cinderella p. XLIII–LXVI. Pavle Popović, Die Erzählung vom Mädchen ohne Hände (Belgrad 1905; s. Zs. f. Volkskunde 16, 213.)
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 298. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_298.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)