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goldenen Sachen war, und tat ein goldenes Kleid an und ging wieder fort. Wie’s aber wieder zum Backöflein kam, sprach es: ‘Backöflein, verrat mich ja nicht!’ ‘Nein, ich will dich nicht verraten.’ Dann kam es zum Kälbchen und endlich zum Birnbäumlein und sprach zu jedem: ‘Verrat mich nicht!’ und jedes antwortete: ‘Nein, ich verrat dich nicht.’ Nun kam es wieder zum Brunnen herauf, und der Tag brach eben an, da rief der Hahn: ‘Unser goldenes Mädchen kommt.’ Bald fällt auch der Garstigen der Rocken in den Brunnen, und sie muß hintennach; sie kommt zu dem Birnbaum, dem Kalb und Backofen, sie spricht wie die schöne zu ihnen, aber sie folgen ihr nicht. Nun laust sie die rote Alte, bis sie eingeschlafen ist, geht in die Kammer und kleidet sich ganz golden an und will wieder heim. Sie bittet den Backofen, das Kalb und den Birnbaum, sie nicht zu verraten; aber sie antworten: ‘Ja, wir verraten dich doch.’ Als nun die Alte aufwacht, eilt sie dem Mädchen nach, und jene sagen zu ihr: ‘Wenn du läufst, so holst du es noch ein.’ Sie erreicht es auch noch und besudelt ihm das goldene Kleid. Wie es nun wieder heraufkommt und eben der Tag anbricht, so ruft der Hahn: ‘Unser dreckiges Mädchen kommt!’ – Hiermit stimmt eine vierte Erzählung aus dem Paderbörnischen (vor 1822) am meisten überein, besonders in der Teilnahme, welche die Dinge, die auf dem Wege das Mädchen anrufen, hernach bezeigen. Es hat ein Bäumchen geschüttelt, eine Kuh gemelkt, der man ihr Kälbchen gestohlen, und das Brot aus dem Ofen gezogen. Es muß dann in dem Haus eine Hexe, einen Affen und einen Bären jeden Mittag lausen, dafür bekommt es die schönsten Kleider, Gold und Silber in Menge. Wie es das alles hat, spricht es: ‘Ich will hingehen und Wasser holen.’ Es geht und findet die Türe zu dem Brunnen wieder, durch welche es herabgekommen war. Es öffnet die Türe und sieht eben den Eimer sich herabsenken, da setzt es sich hinein und wird hinaufgezogen. Weil es nun ausbleibt, schicken die Hexe, der Affe und der Bär einen großen schwarzen Hund nach, der fragt überall, ob niemand ein ganz mit Silber und Gold behangenes Mädchen gesehen. Aber der Baum, den es geschüttelt hat, zeigt mit seinen Blättern einen andern Weg, die Kuh, die es gemelkt hat, geht einen andern und nickt mit dem Kopf, als sei es dort hin, und der Backofen schlägt mit seiner Flamme heraus und zeigt ganz verkehrt. Der Hund kann also das Mädchen nicht finden. Dem bösen Mädchen geht es dagegen schlimm; als es entflieht und unter den Baum

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_208.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)