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Wer seinem Weibe von seiner Kunst etwas sagt, vergißt zufolge dem kleinrussischen Märchen (Etnogr. Obozr. 35, 125. Kijev. Starina 1889, 5–6) die Hälfte davon; im irischen (Larminie p. 17) wird der Held, der dasselbe tut, von der Frau in einen Raben, ein Pferd und andre Tiere verwandelt.

Daß die Vögel höhere Weisheit besitzen und an den Geschicken der Menschen mahnend, ratend, vorhersagend anteilnehmen, ist ein alter und verbreiteter Glaube (vgl. Uhland, Schriften 3, 89. 128. Wackernagel, Kleinere Schriften 3, 181. Friedlaender, Sittengeschichte Roms⁵ 1, 475). Versteht der Mensch ihr ‘Latein’ nicht, so liegt die Schuld an ihm (Wackernagel, Kl. Schriften 3, 3. 196 und[WS 1] Voces variae animantium 1869 S. 15. J. Grimm, Kl. Schriften 5, 165. E. du Méril, Etudes sur quelques points d’archéologie 1862 S. 447).

Der zweite Teil des Märchens hat gleichen Inhalt mit der Bienenkönigin (nr. 62) und dem Meerhäschen (nr. 191): drei Tiere, denen der gutherzige Jüngling Wohltaten erweist, helfen ihm drei Aufgaben lösen (in nr. 191 verstecken sie ihn dreimal), wodurch er eine Königstochter zur Gattin gewinnt. In dem Märchen von Ferenand getrü und Ferenand ungetrü (nr. 126) erringt der Held die Schöne mit Hilfe der dankbaren Tiere nicht für sich, sondern im Auftrage seines Königs, doch gewinnt die Jungfrau ihn selber lieb und reicht ihm nach Beseitigung des Königs ihre Hand. In andern Erzählungen helfen dankbare Tiere dem Helden die verborgene Seele eines Ungeheuers aufsuchen und vernichten, wodurch eine Prinzessin befreit wird (R. Köhler 1, 57. 110. 158. 176. 348. Wisser 2, 5) oder bringen ihm den geraubten Wunschring zurück (Köhler 1, 398. 437. 440) oder bieten sich ihm als Gefährten auf der Brautfahrt an (nr. 60. Köhler 1, 94). Auch das Pferd (nr. 126. Köhler 1, 330. 467), der Fuchs (Köhler 1, 539. 558), der Kater (nr. 33a. 106) erweisen sich als gute Ratgeber des Helden; vgl. Macculloch p. 225 ‘Friendly animals’.

Beide Teile des Märchens erscheinen auch in einer kroatischen Fassung bei Strohal 2, 212 nr. 16 verbunden. Der Diener eines Arztes kostet von einer Schlange, die er für jenen kochen soll, und weiß nun ebensoviel wie er; da er gegen Fliegen, Ameisen und Fische barmherzig ist, helfen ihm diese Tiere bei den Aufgaben, die sein Herr auf der Brautfahrt lösen soll, z. B. die Braut unter zehn Schwestern herauszufinden.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: uud
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 134. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_134.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)