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in der obern Stube, da sich die Geschichte begeben, die ersten beim Ofen, die andern in der daneben befindlichen Kammer, indem die Stube hernach kleiner gemacht und unterschieden worden, sehen können. Der Vater, von dem man gemeldet hat, daß man ihn wegen der erfolgten Wirkung seiner Verwünschung den himmlischen Vater genannt habe (dies ist unrichtig, sondern er erhielt den Namen, weil er in dem zu Pfingsten 1516 zu Freiberg auf dem Markte gehaltenen geistlichen Spiele den Gott Vater agirt hatte), hat besagte Fußtapfen in den Dielen alsbald nach des Sohnes Tode aussetzen lassen wollen, weil er sich wegen seines unbesonnenen Eifers und Fluchs geschämt, es hat ihm dies aber der Rath untersagt und geboten, daß er solche zum immerwährenden Gedächtniß stehen lassen mußte.


279) Das Mönchskalb zu Freiberg.
Moller Bd. II. S. 179. cf. Bd. I. S. 213.

Den 29. Juni 1523 ist zu Freiberg im öffentlichen Kuttelhofe in einer geschlachteten Kuh, so einem Bauer zu Klein-Waltersdorf zugehörte, das sogenannte Mönchskalb gefunden worden. Dieses Kalb hat einen runden ungestalteten Kopf gehabt und oben darauf eine Platte wie ein Pfaffe, sammt zwei großen Warzen wie kleine Hörner: mit dem Untermaule ist es einem Menschen, mit dem obern und der Nase einem Kalbe gleich, sonst aber ganz glatt am Leibe gewesen, es hat die Zunge lang aus dem Munde herausgestreckt; die Haut am Halse und Rücken herunter hat wie eine gewundene Mönchskutte ausgesehen, an den Seiten aber vorn und an den Beinen ist es voller Ritze und Schnitte gewesen, als wenn die Kutte zerhauen oder zerschnitten wäre. Solches Ungeheuer ist von Dr. M. Luther in seinen Schriften (Bd. IX. d. Witt. A. f. 187), wo es auch abgebildet wird, neben der Beschreibung des Papstesels[1], den man 1496 zu


  1. S. Deuttung der zwo grevlichen Figuren Bapstesels zu Rom und Munchkalbs zu Freyberg jn Meyssen funden (durch Dr. M. Lutherum). [258] Wittenb. 1523. 4. Der Papstesel, ein Monstrum mit einem Eselskopfe, mit einem weiblichen, mit Schuppen bedeckten Leibe, mit Ochsenfuß und Vogelklauen, statt der rechten Hand einen Eselsfuß, mit der Unterschrift: Monstrum Romae inventum mortuum in Tiberi Anno 1496, bildet auch Bl. 1. des Cranach’schen Holzschnittwerkes: das Papstthum von 1545 (beschr. im Allg. Lit. Anz. Bd. IV. S. 94 sq. Serapeum 1841 S. 33. sq. Chr. Schuchardt, L. Cranach und seine Werke. Leipzig 1851. Bd. II. S. 248. sq.) Der Papstesel, das Mönchskalb und der Säupfaffe sind abgebildet bei Lycosthenes, Wunderwerk S. CCCCLX. u. CCCCLXXIII. S. a. Seidemann, Beitr. z. Reform.-Gesch. Bd. I. p. 200. sq.
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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 257. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_257.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)