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ausgehöhlten Kahn (dergleichen die Fischer hier gebrauchen) drängen und sein Ruder bis an die Spitze umringeln. Er geräth in Angst und Schrecken, springt aus dem Kahne ans Ufer und will davon eilen, aber die Schlangen schießen ihm nach. Zum Glück fällt ihm ein, seine Jacke auszuziehen und diese von sich zu werfen, das thut er und entkömmt. Die Schlangen hatten sich auf sein Kleidungsstück als den vermeinten Feind geworfen und es durch und durch zernagt und bis in den faulen Graben mit geschleppt, wo man es nach einigen Tagen in diesem Zustande fand.

Nun ist es aber eine alte Sage, daß, wer sich der Krone des Schlangenkönigs bemächtigen könne, der gelange zu sehr großem Reichthum, die Krone selbst sei von unschätzbarem Werthe, ja man könne sogar auf diese Art die Schlangen vermindern, denn die Krone sei nur einzig vorhanden und erbe auf die erwählten Könige. Da soll nun einst Jemand den kühnen Entschluß gefaßt haben, sich in den Besitz dieses Hauptschmuckes des Königs zu setzen. Er stieg zu Pferde, um bei drohender Gefahr desto schneller den rächenden Schlangen enteilen zu können. Auf einem grünen Platze bei dem Schlosse breitete er an einem schönen Maitage ein feines weißes großes Tuch aus, denn man wußte, der Schlangenkönig lege gern seine Krone auf reinliche weiße Sachen, wenn er ungestört mit seinen Genossen spielen wollte. Kaum ist das Tuch ausgebreitet, so hält er mit dem Rosse nicht weit davon hinter einem Erlengebüsch an der Schnecke, und zu seiner Freude sieht er den Schlangenkönig mit Gefolge herbeikommen, und seine Krone auf das weiße Tuch legen. Sie begeben sich sodann in vollem Zuge nach der Eisgrube, um auf dem Berge in der Sonne zu spielen. Der Reiter eilt sacht mit dem Rosse hinzu, nimmt sein Tuch mit der Krone an den vier Zipfeln zusammen und jagt im Fluge davon. Im Augenblick hört er ein durchdringendes Schlangenpfeifen. Er ist aber mit dem Rosse zu schnell und kommt bald auf das feste Land und Pflaster in die Stadt. Niemandem erzählte er von seinem Schatze, aber seit dieser Zeit ward er ein steinreicher

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 227. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_227.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)