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mußte er aber leider von dem boshaften Nachbar hören, daß er nur darum so billig zu dem Hause gekommen sei, weil es darin umgehe und Niemand von den bösen Geistern, die hier ihren Wohnsitz aufgeschlagen, gelitten werde. Indeß ließ sich der neue Eigenthümer das wenig anfechten, hielt seinen Einzugsschmauß und setzte sowohl hier, als in seiner alten Wirthschaft, die er zur Aushilfe ebenfalls beibehalten hatte, so viele Gäste als er nur konnte, und lange hörte man nichts von Spuk oder Gespenstern. Da trug es sich eines Tages zu, daß ein Ritter mit seinem Knappen noch Aufnahme verlangte, als beide Häuser schon völlig mit eingekehrten Fuhrleuten angefüllt waren. Unser Wirth erklärte ihm daher, er vermöge ihm kein besonderes Gemach mehr zu geben, es sei denn daß er in einem alten Saale bleiben wolle, der voll werthlosen Gerülles sei und zugleich als Getreideboden benutzt werde. Der Ritter, der bei sinkender Nacht nicht weiter wollte, auch froh war, ein Plätzchen zum Ausruhen von langer Reise zu finden, willigte ein, und so führte ihn denn sein Wirth, nachdem er ein gutes Abendbrod zu sich genommen, hinauf in den Saal, ließ ihm eine Lampe zurück und ging seines Wegs. Freilich gefiel dem Ritter jetzt das gewählte Schlafzimmer nicht besonders, allein was half’s, er mußte gute Miene zum bösen Spiele machen; er warf sich also auf das ihm bereitete Lager, ohne jedoch die Lampe auszulöschen, und schlief, da er nach verschlossener Thür vor jeder Störung sicher zu sein meinte, ruhig ein. Plötzlich wachte er von einem ihm unerklärlichen Lärmen auf, er vernahm ein Laufen, Scharren und Poltern auf der Treppe und an der Thüre, daß es ihm ganz ängstlich zu Muthe ward und er sein Schwert ergriff, um jeden unberufenen Eindringling damit muthig zu bekämpfen. Siehe da stand plötzlich eine in ein Leichentuch gehüllte Gestalt vor ihm, die ihn mit hohler Stimme fragte, ob er zum Tanze aufspielen könne, und als der Ritter diese Frage für Spott haltend dem gespenstigen Besucher mit seinem Schwerte drohte, so berührte ihn dieser mit kalter schwerer Todtenhand, daß er sich nicht rühren

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_099.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)