Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens I 030.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

und Erfahrung in geistlichen Sachen, sein zartes Gewissen und zugleich den Umstand, daß sich der Geist am hellen Tage beim Sonnenschein hatte sehen lassen, wohl bei sich erwogen, so trug er kein Bedenken, dem Herzog folgende Antwort zu geben: woferne der Geist von ihm keine abergläubische, nach dem Worte Gottes zuwiderlaufende Ceremonie oder andere Umstände verlangte, und er sich mit hinlänglichem Muthe zu einer solchen Handlung versehen könnte, so wollte er ihm eben nicht abrathen, dem Geiste seine Bitte zu gewähren. Dabei sollte er mit inbrünstigem Gebet auch zu Verhütung alles Betrugs den Zugang seines Zimmers und Cabinets durch die Wache und seine Bedienten wohl bewahren lassen. Der Herzog ließ unterdessen in den Geschichtsschreibern nachforschen und fand, daß Alles wirklich sich so verhalte, was ihm der Geist erzählt, auch sogar, daß die Kleidung der begrabenen Fürstin und des erschienenen Geistes genau auf einander übereingetroffen. Da die bestimmte Stunde kam, legte sich der Herzog wieder auf’s Bette, nachdem er der Wache vor dem Zimmer scharfen Befehl gegeben, keinen einzigen Menschen hereinzulassen. Und wie er diesen Tag mit Beten, Fasten und Singen angefangen hatte, also erwartete er den Geist, indem er in der Bibel las. Dieser stellte sich gerade um die Stunde, wie vor acht Tagen ein, und trat auf des Herzog’s Hereinrufen in voriger Kleidung in’s Cabinet. Gleich anfangs fragte der Geist den Herzog, ob er sich entschlossen habe, sein Verlangen zu erfüllen. Der Herzog antwortete, wenn ihr Begehren nicht wider Gottes Wort liefe, auch sonst nichts Abergläubisches bei sich führte, so wolle er es in Gottes Namen thun, sie solle ihm nur anzeigen, wie er sich dabei zu verhalten hätte. Auf diese Erklärung des Herzogs sagte der Geist: „mein Gemahl hatte mich bei meinem Leben wegen Untreu in Verdacht, weil ich mich mit einem frommen Cavalier insgeheim manchmal von geistlichen Sachen unterredet, er faßte deswegen einen unversöhnlichen Haß gegen mich, welcher so heftig war, daß, ob ich gleich meine Unschuld hinlänglich bewies und ihn auf meinem Todtenbette um Versöhnung

Empfohlene Zitierweise:
Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_030.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)