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hinter ihm bemerkt haben. In gereifteren Jahren erlernte er die Müllerprofession, trat seine Wanderzeit an, wo man ihm wegen seines hohen, spitzen, breitgerandeten Hutes jenen Spitznamen beilegte, allein von wem und wo er seine Teufelskünste gelernt, davon schweigt die Geschichte. Er war überall und nirgends. Bald segelte er in einem papiernen Nachen über die Saale, Elbe und Mulde, bald ritt er auf einer großen Heuschrecke durch die Luft, hier zerschnitt er einen Mühlstein (z. B. in Budissin in der großen Mühle, wo man denselben noch sehen kann), dort setzte er (bei Dresden) auf einmal alle Windmühlen in Bewegung, indem er nur durch ein Nasenloch bließ. Zu Volkmarsdorf, wo man eine Mühlenwelle bereitete, bemerkte er im Vorbeigehen, daß sie zu kurz sei, man lachte ihn aus: da er zurückkehrte, überzeugte man sich von der Wahrheit und bat um seine Hülfe. Er dehnte sie wie Bretzelteig aus und setzte so die fehlende Elle zu. Zu Heiligenbeil[1] schleuderte er seine Axt an den Kirchenthurm, wo sie einhieb und noch heutigen Tages zu sehen ist. In Leipzig, im Gasthofe zum goldenen Siebe ließ er am hellen Tage eine Menge Hasen aus dem Kacheltopfe heraus- und wieder hineinspaziren. Hier leitete er die Saale aus ihrem Bette und wieß ihr einen andern Lauf an, damit die Müller, die ihm kein Geschenk gereicht hatten, nicht mahlen konnten, indeß andern, die ihn freundlich aufgenommen, das Wasser zu keiner Zeit mangelte, wodurch sie zu Vermögen gelangten. Bald verwandelte er die Pferde eines betrügerischen groben Roßhändlers, der ihm, dem Ermüdeten, einen Sitz auf dem Handpferde verweigert hatte, in Strohwische, bald ließ er bei eingetretenem Mißwachs einem Bauer, der ihn bei einer Krankheit gepflegt, eine überreiche Ernte sammeln, bald machte er den Adjutanten des Generals Sybilski in Teufelskünsten.

Dieser königlich polnische und kurf. sächs. General Johann


  1. Nach der preußischen Volkssage war aber ein Wunder des Bischoffs und Heidenbekehrers Anselmus die Ursache des Namens Heiligenbeil. S. Bechstein, Deutsches Sagenbuch. S. 204. u. mein Preuß. Sagenb. Bd. II. Nr. 584, S. 367.
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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 246. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_246.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)