Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens II 178.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

II. Zwei Knaben spielten einst auf dem Löbauer Berge und zwar in der Gegend des sogenannten Geldkellers. Dem einen von ihnen entnahm der Wind sein leichtes Strohhütchen und führte es in die Tiefe einer Felsenkluft. Der Knabe weinte und schrie, doch dadurch gelangte er immer noch nicht wieder zu seinem Eigenthum. Aus Furcht vor Strafe, die er mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten hatte, wenn er ohne sein Hütchen nach Hause kehren wollte, gab er sich nun alle mögliche Mühe, es wieder aufzufinden, kletterte und kroch von einem Steine auf den andern und gelangte endlich in die Tiefe der Kluft, ohne aber sein liebes Hütchen ausfindig zu machen. Jetzt entdeckte er eine in den Fels hineingehende Höhle, hier glaubte er nun das Gesuchte finden zu müssen und gerieth so, ohne daß er es dachte, von Tiefe zu Tiefe, bis sich endlich ein ungeheuerer und weiter Felsenkeller seinen staunenden Blicken eröffnete. Hier sah er nun zwar immer wieder noch nichts von seinem Hütchen, wohl aber erblickte er eine ganze Gesellschaft Herren, die um einen großen Tisch herumsaßen und zu spielen schienen, kein lautes Wort aber von sich hören ließen. Im Hintergrunde des Kellers aber standen ganz unermeßliche Braupfannen voll von blanken Thalern und Goldstücken. Die stummen Herren winkten dem Knaben freundlich, sich von den aufgehäuften Schätzen zu nehmen und einzustecken; doch ein gräßlich feuerschnaubender Hund vertrat ihm furchtbar den Weg, daß er fast allen Muth verlor; von Neuem aber winkten die Herren und der furchtbare Hund zog sich etwas zurück. Auf dringendes und wiederholtes freundliches Zureden wagte es endlich der Knabe, sich heranzuschleichen, ging dann hart bei dem Hunde vorbei, so daß er fast über ihn hinwegsteigen mußte und steckte sich von den blanken Thalern und Goldstücken so viel ein, als nur in seinen kleinen Taschen Platz hatte. Nun schon dreister gemacht, da Alles ohne Gefahr für ihn abgelaufen war, machte er sich auf den Rückweg, der ihm auch weder von dem feuerschnaubenden Hunde noch von den stummen Herren an dem großen runden Tische streitig gemacht wurde. Froh über sein

Empfohlene Zitierweise:
Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 178. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_178.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)