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war, so daß er als Dolfo di Prestallez, Doge von Venedig werden konnte. Seine Tochter zog, als Knabe verkleidet, mit ihm herum, und als sie bei ihrem Verweilen im Voigtlande einst ihre Künste mit einem Tanzbären producirten, fiel dieser Vater und Kind an und drohte sie zu zerreißen, als der junge Besitzer von Schönberg dazwischen trat und den Bären erlegte. Zum Dank schenkte ihm der Zigeuner ein goldenes Kreuzlein und lud ihn ein, nach Venedig zu kommen. Ferdinand – so hieß der ritterliche Herr – kam dieser Einladung später nach. Unterwegs ward ihm das Kreuzlein, sein Erkennungszeichen entwendet; aber durch eine wunderbare Verkettung der Umstände wurde er erkannt, und kehrte mit dem Dogen, der ihm seine Tochter zum Weibe gab, und dessen Sohn, der als Geistlicher in Rom gewesen war und dem geistlichen Stande entsagt hatte, ins Voigtland zurück, wo sie sich zum ersten Mal gesehen hatten.


703) Die Teufelskammer in der Pfarre zu Brambach.
Bearbeitet von Julius Schanz; metrisch behandelt von Fr. Rödiger.

In die Pfarre zu Brambach kam einst um die Mitternacht durch den Schlot der Teufel hereingefahren und frug nach dem Pfarrherrn. Die alte treue Magd meldete dem Pfarrer diese Kunde und der befahl, den Teufel nur zu ihm hereinzuführen. Der Schwarze setzte sich ungenirt an sein Bett, wie wenn er in seinem alten Großvaterstuhl in der Hölle säße, und begann mit dem Pfarrer ein langes Examen. Dieser aber hatte das Herz auf dem rechten Flecke und wußte dem Teufel trefflich zu antworten, der immer neue Spitzfindigkeiten zu Tage brachte. Zuletzt frug er: „Wie lehrt man in Deutschland am Besten das Christenthum?“ – Diese Frage machte dem Pfarrer doch einiges Bedenken, er sann hin und her, und der Böse freute sich schon des Sieges. „Kannst du mir auf diese Frage nicht Rede stehen, so ist diese Kammer mein Eigenthum und kein Mensch soll sie ohne Zagen betreten!“

Empfohlene Zitierweise:
Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_094.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)