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Ueberblicke über die verschiedenen Epochen zu geben, im künftigen Jahre wieder aufgenommen werden.

[H 1]

Außer den Gewandhaus- und Euterpe-Concerten hatten wir in der zweiten Hälfte des Winters noch sechs von der Direction der Gewandhausconcerte veranstaltete Abendunterhaltungen, die die Stelle der früher Matthäi’schen, dann David’schen Quartetten ausfüllten. Im gewissen Einverständniß mit den Wünschen des Publicums hatte man die frühern Gränzen dahin erweitert, daß in diesen Soireen auch größere Ensemblestücke, wie Solovorträge zur Ausführung kamen. Auch war zum Vortheil der Musik wie der Zuhörer der kleine Vorsaal, in dem früher die Quartette stattfanden, verlassen und in den großen Concertsaal gezogen worden. Die auf den Concertzeddeln versprochenen Meistercompositionen und Vorträge hatten immer ein auserlesenes und zahlreiches Publicum herbeigelockt; man kann nicht leicht Trefflicheres in trefflicherer Ausführung hören. Die im Quartett Mitwirkenden waren die HH. Concertmeister David, Klengel, Eckert und Wittmann; die gespielten Quartette von Mozart, Haydn, Beethoven, Cherubini, Franz Schubert und Mendelssohn. Außerdem wurden noch Nonett und Doppelquartett von Spohr, Octett von Mendelssohn, Quintett von Onslow, Trio’s von Beethoven, Mendelssohn und Hiller, Doppelsonate und dieser Art Verwandtes von Mozart, Beethoven und Spohr gegeben. Von diesen Stücken waren neu oder hier noch nicht öffentlich gehört ein Trio

Anmerkungen (H)

  1. [GJ] † Das zweite bedeutende Institut für Concertmusik in unserer Stadt ist die Gesellschaft „Euterpe“, ein in seiner Entstehung, Entwickelung und jetzigen Verfassung vielleicht einzig dastehender Verein, dem wir den wohlthätigsten Einfluß auf den Musikgeschmack, namentlich der mittleren Stände, zuschreiben müssen. Er zerfällt in zwei Sectionen. Die erste besteht aus gegen 40 Mitgliedern – nur Musikern, die zur Mitwirkung an den alle 14 Tage stattfindenden Concerten sich verpflichten; die andere aus ordentlichen Mitgliedern, denen auch Nicht-Musiker beitreten dürfen, und aus Ehrenmitgliedern,[Fußnote: Zu ihnen gehörte Schumann seit dem 24. December 1837.] auswärtigen wie einheimischen, die die erste Section im engeren Ausschuß alljährlich wählt. Die erste Section gab im vergangenen Winter zehn Concerte im großen Saale der Buchhändlerbörse. Die Mittel der Existenz [252] sichert der Gesellschaft das reich zuströmende, wenn auch geringe Abonnement; im Uebrigen muß man anerkennen, steht die Aufopferung an Zeit und Mühe, die die Herstellung der Concerte den Mitgliedern des Vereins kostet, mit der kleinen Entschädigung in einem Verhältniß, daß wir ihrer Liebe zur Sache nicht genug Lob spenden dürfen. Eben so uneigennützig wirkten mehrere Sängerinnen mit, unter diesen namentlich die beliebte jugendliche Frl. Louise Schlegel, die Frls. Auguste und Emma Werner, wie denn vorzüglich der Dirigent des musikalischen Theils, Hr. J. J. H. Verhulst, wie die des mehr geschäftlichen, Hr. Advocat Hermsdorf und Hr. Sensal Schütz, ihren Beistand aus wahrem Kunstinteresse und mit warmer Hingebung ihrer guten Sache angedeihen lassen. So hat sich der Verein in seiner allmählichen Entfaltung zu einem Lieblingsinstitute der Stadt emporgehoben, und auch ohne manche zufällige Nebenumstände, die ihm die Theilnahme des Publicums gesichert, würde das Streben, das er musikalischerseits bekundet, das Interesse der gebildeten Kunstfreunde in Anspruch nehmen müssen. Die Aufführung der Orchesterstücke giebt der im Gewandhaussaale an Frische nichts nach; die Wahl ist die beste. In jedem Concerte kommen regelmäßig eine Symphonie und zwei Ouvertüren vor, zwischendurch Solovorträge von Sängerinnen wie den obengenannten, von Mitgliedern der Gesellschaft wie von andern Musikern. Aufführung größerer Ensemblestücke, wie Herbeiziehung auswärtiger Künstler liegen außer den Zwecken des Vereins.
    Die im letzten Winter aufgeführten Compositionen waren fast ohne Ausnahme deutsche. Auch hier ist Beethoven der mit Vorliebe gegebene Meister; von ihm wurden fünf Symphonieen gespielt, von Mozart und Haydn je eine, von Kalliwoda zwei (die zweite während des Aufenthalts des Componisten in Leipzig). Eine neue Symphonie brachte Hr. Oberorganist Adolph Hesse aus Breslau mit und dirigirte sie selbst; sie ist die fünfte seiner Arbeit [C moll] und ein absichtliches Losringen von seinem Meister und Vorbild (Spohr) darin unverkennbar, dessen Einfluß sich in den früheren Compositionen Hrn. Hesses namentlich in der Harmonieführung und Wechselung äußerte. Im Uebrigen gab auch diese Symphonie von der tüchtigen Bildung des Componisten Zeugniß, insbesondere was Formenabrundung, contrapunktische Arbeit und reichklingende Instrumentirung anlangt; sie erscheint in wenigen Wochen im Druck und wir werden sie später ausführlicher besprechen.
    Von Ouvertüren brachte die Euterpe in meist guter Ausführung [253] außer bekannten Meisterwerken von Mozart, Beethoven, Weber, Mendelssohn u. a., auch die unverdient weniger bekannte zu „Shakespeare“ von Kuhlau, die uns ein in vollster Blüthe der Kraft geschriebenes Werk, wenn auch eines Künstlers vom zweiten Range, zu sein scheint, eine schon früher gehörte von Verhulst (Nr. 3), und dann vier neue, nämlich von Berlioz zu „Waverley“, von Embach, einem holländischen Componisten, Woldemar Heller aus Dresden und E. Leonhard aus Leipzig, von denen die von Berlioz (bereits gedruckt) in der Zeitschrift als ein viel phantastisches, seltsam instrumentirtes Charakterstück schon früher erwähnt wurde und großes Interesse erregte. Die von Embach verrieth nichts Genialisches, sonst aber Tüchtigkeit und Routine in Anwendung gefälliger Mittel, ihr ähnlich die von W. Heller gesunde Natürlichkeit und freundlichen Sinn, während die des jungen Leipziger Componisten nach charakteristischerer Bedeutung auf Beethovenschem Wege strebte, wo nur die Grazien ausgeblieben waren, die im Triumphzuge Beethovenscher Gedankenweise doch nie ganz fehlen. Es kann nach einmaligem Hören nur von Totaleindrücken die Rede sein, wie wir sie hier einfach ausgesprochen haben.
    Der Musikdirector des Vereins gab uns in den Concerten der Euterpe selbst nichts Neues, wohl aber in seinem Benefizconcert, von dem wir schon früher berichteten, daß es eine Theilnahme fand der Art, daß sich die Gesellschaft zum Besitz dieses lebendigen, umsichtigen, urtheilsgesunden jungen Künstlers nur Glück wünschen kann und ihn so lange wie möglich festzuhalten sich angelegen sein lasse.
    In freundlichster Weise unterstüzten, wie schon erwähnt, die drei jungen Sängerinnen, von denen noch keine das zwanzigste Jahr überschritten, mehrfach die Concerte, außerdem in mehr oder minder bedeutender Weise die HH. Uhlrich, als höchst fertiger, reiner, kräftiger und geschmackvoller Violinspieler bekannt, der auch noch immer fortschreitet, – die HH. Grabau und Winter, beide Violoncellspieler, L. Anger und Alfred Dörffel, Clavierspieler, Weissenborn, Fagottist, Gosebruch, Flötist, Inten, Violinist, Heinze jun., Clarinettist, Faulmann, Hoboebläser, und der bekannte alte Harfenspieler Prinz, dessen bescheidener, vielfach interessanter Künstlercharakter unter den Händen eines Hoffmann oder Tieck eine anziehende Novellenfigur abgeben müßte. † [Fußnote: Der auf Seite 251 beginnende Bericht über die Euterpe war gestrichen.] II.251–253 Commons