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leisen Zweifel, ob überhaupt so rhapsodisches Carnavalleben auf eine Menge Eindruck machen könne, begegnete er durch seine feste Meinung, er hoffe es. Dennoch glaub’ ich, hat er sich getäuscht. Nur einige Worte über die Composition, die ihre Entstehung einem Zufall verdankt. Der Name eines Städtchens,[H 1] wo mir eine musikalische Bekanntschaft lebte, enthielt lauter Buchstaben der Tonleiter, die gerade auch welche meines Namens waren; so entstand eine jener Spielereien, wie sie seit Bach’s Vorgang nichts neues mehr sind. Ein Stück ward nach dem andern fertig, und dies gerade zur Carnavalszeit 1835, überdies in ernster Stimmung und eigenen Verhältnissen. Den Stücken gab ich später Ueberschriften und nannte die Sammlung Carnaval. Mag manches darin den und jenen reizen, so wechseln doch auch die musikalischen Stimmungen zu rasch, als daß ein ganzes Publicum folgen könnte, das nicht alle Minuten aufgescheucht sein will. Dies hatte mein liebenswürdiger Freund, wie gesagt, nicht berücksichtigt, und mit so großem Antheil, so genialisch er spielte, der Einzelne war vielleicht damit zu treffen, die ganze Masse aber nicht zu heben.[H 2] Anders war es schon mit den Etuden von Hiller, die in eine bekanntere Form einschlagen; eine in Des dur, und eine in E moll, beide sehr zart und charakteristisch, erwarben sich warme Theilnahme. Das Concert von Mendelssohn war bereits durch den Componisten selbst bekannt in seiner ruhigen Meisterklarheit. Lißt spielte, wie gesagt, die Stücke beinahe vom Blatt.

Anmerkungen (H)

  1. [GJ] Asch in Böhmen. II.240 Commons
  2. [GJ] Anmerkung 49: Das Leipziger Tageblatt vom 29. März enthält einen mit „L.“ unterzeichneten, ohne Zweifel von Schumann geschriebenen Artikel, der auf das am folgenden Tage stattfindende Concert Liszts, „des größten Pianisten unserer Tage“, noch besonders hinweist. Schumann sagt darin zum Verständniß des Carnavals: „Es ist ein humoristischer Maskenroman, in welchem außer dem bekannten Gesichte des Harlekin, Pantalon, der Colombine auch bedeutendere der Gegenwart, wie Chopin und Paganini in flüchtigen musikalischen Umrissen zum Vorscheine kommen; dazwischen sich ein Abenteuer zu entwickeln scheint, wie die Namen anderer Stücke anzudeuten scheinen.“ – In einem (bisher ungedruckten) Briefe vom 9. Febr. 1838 an Julie Baroni-Cavalcabò sagt Schumann über den Carnaval: „Daß Sie mein Carnaval reizen mag, begreife ich wohl; es sieht ja im Künstlerherzen manchmal wunderlich aus und die schreienden Dissonanzen, wie sie das Leben zusammensetzt, mildert die versöhnende Kunst, wie sie oft auch wieder die Freuden in dunkle lange Schleier einhüllt, daß man sie nicht so offen sehe.“ II.523 Commons