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findet. Laßt mich in Ruhe, Jünglinge, ich verstehe die Menschen nicht mehr.

Voigt.[H 1]

Wer wird den Blinden schelten, wenn er vor dem Münster steht und nichts zu sagen weiß? Zieht er nur andächtig den Hut, wenn oben die Glocken läuten.

Eusebius.

Ja liebt ihn nur, liebt ihn so recht — aber vergeßt nicht, daß er auf dem Wege eines jahrelangen Studiums zur poetischen Freiheit gelangte, und verehrt seine nie rastende moralische Kraft. Sucht nicht das Abnorme an ihm heraus, geht auf den Grund des Schaffens zurück, beweist sein Genie nicht mit der letzten Symphonie, so Kühnes und Ungeheures sie ausspricht, was keine Zunge zuvor, — ebenso gut könnt ihr das mit der ersten oder mit der griechisch-schlanken in B dur![H 2] Erhebt euch nicht über Regeln, die ihr noch nicht gründlich verarbeitet habt. Es ist nichts halsbrechenderes als das und selbst der Talentlosere könnte euch im zweiten Moment der Begegnung die Maske beschämend abziehen. –

Florestan.

Und als sie geendigt hatten, sagte der Meister fast mit gerührter Summe: „Und nun kein Wort drüber! Und so laßt uns denn jenen hohen Geist lieben, der mit unaussprechlicher Liebe herabsieht auf das Leben, das ihm so wenig gab. Ich fühle, wir sind ihm heute näher

Anmerkungen (H)

  1. [GJ] Bd. I, S. 320–21, Anmerkung 15: „Carl Voigt, der langjährige Freund Schumanns, erklärte diesen Ausspruch für Schumanns Eigenthum. Er erzählte, daß er nach jedesmaliger Aufführung der D moll-Symphonie ein Geschenk von 100 Thalern anonym an das Orchester gesandt habe, ursprünglich in der Absicht, eine öftere Wiederholung des Werkes zu bewirken, was ihm auch gelungen sei. Als er einstmals nach einer Probe der Symphonie Schumann beim Ausgange des Saales angetroffen und begeistert ausgerufen habe, daß er „das göttliche Werk in seinem Testament bedenken wolle", da habe Schumann diese Aeußerung freilich nur mit einem innigen Händedruck gelohnt, vielleicht aber den hernach niedergeschriebenen poetischen Worten deswegen seinen Namen untergesetzt. Der Direction der Gewandhausconcerte sind nach Voigts letztwilliger Bestimmung 6000 Mark überwiesen worden mit der Bedingung, die 9. Symphonie alljährlich oder längstens alle zwei Jahre aufzuführen und die Zinsen des Capitals alsdann an die Orchestermitglieder zu vertheilen.)“ [WS] Carl Friedrich Eduard Voigt (1805–1881), Kaufmann in Leipzig, Mitinhaber der Garn- und Seidenhandlung Berger & Voigt, Musik- und Kunstfreund. Schumann widmete dessen ersten Frau Henriette geb. Kuntze (gest. 1839) die Klaviersonate op. 22.
  2. [WS] Beethoven 1. Sinfonie C-Dur op. 21 (1799/1800; UA 2. April 1800) und 4. Sinfonie B-Dur op. 60 (1806; UA 15. November 1807)