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sehr merkwürdig erscheint. Es waltet hier ein Umstand, über den ich mich, da er mir selbst geheim, nicht deutlich ausdrücken kann. Doch regt es dich vielleicht zum Nachsinnen an. Am wohlsten befind’ ich mich im vornehmen Ballgetümmel der Menuett, wo Alles blitzt von Diamanten und Perlen; im Trio seh’ ich eine Scene im Cabinett, und durch die oftmals geöffnete Ballsaalthüre dringen die Violinen und verwehen die Liebesworte. Wie? – Dies hebt mich ja ganz bequem in die A dur-Symphonie[H 1] von Beethoven, die wir vor Kurzem gehört. Mäßig entzückt gingen wir noch spät Abends zum Meister Raro. Du kennst Florestan, wie er am Clavier sitzt und während des Phantasirens wie im Schlafe spricht, lacht, weint, aufsteht, von vorn anfängt u. s. w. Zilia[H 2] war im Erker, andere Davidsbündler in verschiedenen Gruppen da und dort. Viel wurde verhandelt. „Lachen“ (so fing Florestan an und zugleich den Anfang der A dur-Symphonie), „lachen mußt’ ich über einen dürren Actuarius,[H 3] der in ihr eine Gigantenschlacht[H 4] fand, im letzten Satze deren effective Vernichtung, am Allegretto aber leise vorbeischlich, weil es nicht paßte in die Idee, – lachen überhaupt über die, die da ewig von Unschuld und absoluter Schönheit der Musik an sich reden – (freilich soll die Kunst unglückliche Lebens-Octaven und -Quinten nicht nachspielen, sondern verdecken, freilich find’ ich in [z. B. Marschners] Heiling-Arien[H 5] oft Schönheit aber ohne Wahrheit, und in Beethoven [nur selten] manchmal die letzte ohne die erste). –

Anmerkungen (H)

  1. [WS] 7. Sinfonie A-Dur op. 92 (1811–1812).
  2. [WS] Chiara, Chiarina oder auch Zilia ist der Davidsbündlername von Clara Wieck, die er 1840 heiratet.
  3. [WS] actuarius, lat. ‚Schnellschreiber‘.
  4. [WS] Die Gigantomachie, Kampf der griechischen Götter mit den Giganten.
  5. [WS] Vorlage: Heiligenarien. Hans Heiling (1833), eine Oper von Heinrich Marschner (1795–1861).