Seite:Gesammelte Schriften über Musik und Musiker Bd.1 (1854).pdf/164

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Hinrichtung zusieht. Der Zug setzt sich in Bewegung; ein Marsch, bald düster und wild, bald glänzend und feierlich, begleitet ihn; dumpfer Klang der Tritte, roher Lärm der Masse. Am Ende des Marsches erscheint, wie ein letzter Gedanke an die Geliebte, die fixe Idee, aber, vom Hiebe des Beiles unterbrochen, nur halb. – Fünfte Abtheilung. Traum in einer Sabbathnacht. Er sieht sich inmitten gräulicher Fratzen, Hexen, Mißgestalten aller Art, die sich zu seinem Leichenbegängnisse zusammengefunden haben. Klagen, Heulen, Lachen, Wehrufen. Die geliebte Melodie ertönt noch einmal, aber als gemeines, schmutziges Tanzthema: sie ist es, die kommt. Jauchzendes Gebrüll bei ihrer Ankunft. Teuflische Orgien. Todtenglocken. Das Dies irae parodirt.

So weit das Programm. Ganz Deutschland schenkt es ihm: solche Wegweiser haben immer etwas Unwürdiges und Charlatanmäßiges. Jedenfalls hätten die fünf Hauptüberschriften genügt; die genaueren Umstände, die allerdings der Person des Componisten halber, der die Symphonie selbst durchlebt, interessiren müssen, würden sich schon durch mündliche Tradition fortgepflanzt haben. Mit einem Worte, der zartsinnige, aller Persönlichkeit mehr abholde Deutsche will in seinen Gedanken nicht so grob geleitet sein; schon bei der Pastoralsymphonie[H 1] beleidigte es ihn, daß ihm Beethoven nicht zutraute, ihren Charakter ohne sein Zuthun zu errathen. Es besitzt der Mensch eine eigene Scheu vor der Arbeitsstätte des Genius: er will gar nichts von den Ursachen,

Anmerkungen (H)

  1. [WS] Beethoven, 6. Sinfonie F-Dur op. 68, die Pastorale (1807–1808).