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dem Lechfeld zu hohem Ansehen gelangte; Lambert, der uns in das 11. Jahrhundert weist; Moritz, von dem wir ebenfalls im 11. Jahrhundert besonders hören; St. Jakob, den man kaum vor dem 11. Jahrhundert ansetzen darf; St. Veit, Bartholomäus u. a., denen auch die weiblichen Patrozinien –, außer Maria – zuzuzählen sind. Alle die genannten Kirchenheiligen treten nicht vor einer gewissen Zeit in unserem Lande auf. Wo uns deshalb solche jüngere Heilige an einer Kirche begegnen, ist der Schluss nicht unberechtigt, daß man es mit einem erst später errichteten Gotteshause zu tun hat. Allerdings kann dabei der Einwand erhoben werden, dass ein Patroziniumswechsel stattgefunden habe. Dr. Weigel glaubt, daß dies öfters geschehen sei, besonders als Folge der von Klugny ausgegangenen kirchlichen Reformbewegung. So bei Windsbach und Burgoberbach. Allein auch hier muß nach dem Grundsatz verfahren werden, daß ein so wichtiger Vorgang entweder durch Urkunden belegt oder durch zwingende Tatsachen als wahrscheinlich erwiesen werden muß. Deinhardt[1] macht mit Recht darauf aufmerksam, daß der konservative Sinn der Kirche und des Volkes im allgemeinen ein Festhalten am Urpatrozinium gewährleistete, daß auch juristische Erwägungen eine erhaltende Kraft ausübten, da der Heilige der Kirche stets als der Besitzer und Sachwalter des Kirchengutes galt; ein Patroziniums-Wechsel sei darum stets als eine Ausnahme von der Regel anzusehen. Wo der Wunsch nach einem der jüngeren Heiligen auftauchte, wird man sich meist so geholfen haben, daß man zum alten Patron noch den Namen des neuen fügte, wie denn überhaupt Doppelpatronate nichts Seltenes waren. Als die Pfarrkirche zu Sachsen im Jahre 1323 nach dem Neubau des Chores neu geweiht wurde, geschah dies nicht mehr nur auf den Namen des ursprünglichen Heiligen St. Alban, sondern zugleich auf den Namen der hl. Jungfrau und des hl. Stephanus. So wird man den jüngeren Kirchenpatronen doch ein größeres Recht zugestehen müssen, als es angesichts der Möglichkeit eines Wechsels im Patrozinium zunächst den Anschein hat.

 Es dürfte bei der ganzen Frage der Anschauung des Staatsarchivrats Dr. Schöffel zuzustimmen sein, der in seinem Artikel über den Archidiakonat Rangau, worin er auch die Kirchenheiligen registrierte, erklärte: „Über die geringe geschichtliche Ergiebigkeit der Patrozinien an sich besteht kein Zweifel; da sie jedoch im Zusammenhalt mit anderen Erscheinungen landesgeschichtlichen Fragen durchaus dienstbar gemacht werden können – ich erinnere an die Frage der fränkischen Martinskirchen –, erschien ihre Aufnahme gerechtfertigt“.[2]


4. Vermögensrechtliche und Filialverhältnisse der Kirchen und Pfarreien.

 Dr. Weigel legt auf die Vermögensverhältnisse der Pfarreien keinerlei Gewicht, obwohl ich in meinem Aufsatz über die Urpfarrei Sachsen[3] diesen Punkt stark betont habe. Die Bezugnahme auf Filialverhältnisse lehnt er aus grundsätzlichen Erwägungen ab, da man diese nicht aus dem Hochmittelalter bis in das 8. oder 9. Jahrhundert rückwärts projizieren dürfe; denn es liege die einschneidende Reformbewegung der Klunyacenser


  1. Deinhardt 3.
  2. Schöffel, 133.
  3. Rusam 1 ff.