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Grund vorliegt. Lediglich um eines vorgefaßten Schemas willen kann und darf eine Veränderung nicht vorgenommen werden. So darf z. B. in dem Namen Dettelsau[1] das „au“ nicht in ein vermutetes älteres „bach“ unter Berufung auf ein Dettelbach in Unterfranken umgewandelt werden, umsoweniger als die Bezeichnung „au“ (= Aue, saftiger, guter Wiesgrund) sowohl als Flur, wie als Ortsname sehr häufig ist und gerade bei Dettelsau (alt und neu) eine solche Aue der Flur ihr charakteristisches Gepräge gegeben hat. Ähnlich verhält es sich bei (Wasser-)Mungenau. Ebensowenig können die beiden Orte Wattenbach und Büschelbach unter das Urteil gestellt werden, daß ihre „bach“-Endung „wohl durch Ausgleich entstanden“ sei anstelle eines früheren Namens auf „dorf“[2]. Auch dem Namen Frankendorf ein ursprüngliches Franken-„heim“ unterzuschieben unter Hinweis auf ähnliche Namen anderwärts[3], ist nicht zulässig, schon um deswillen nicht, weil der Ort das typische Gepräge eines alten „Dorfes“, d. h. eines ursprünglichen Einzelhofes, zeigt.

 Man wird sich überhaupt hüten müssen, fremde Siedlungsverhältnisse auf unsere Gegend zu übertragen. Was etwa in der Gegend des Untermains oder im oberen Taubergebiet zutreffen mag, kann für das Land um die mittlere Rezat durchaus unzutreffend sein. Jedes Land und jede Gegend hat ihr eigenes Gepräge und darum ihre eigene Siedlungsgeschichte, und gerade das Rezatgebiet wie überhaupt die ganze Keuperlandschaft besitzt eine ausgesprochene Eigenart. So kann z. B. die Siedlung Lengenfeld bei Neunkirchen nicht in Parallele mit Burglengenfeld in der Oberpfalz gestellt und daraus auf eine frühfränkische Niederlassung – wenn auch nur stillschweigend – geschlossen werden.[4] Oder wenn irgendwo ein Steinbach schon im 8. Jahrhundert vorkommt, so kann das nicht als ein Anzeichen gewertet werden, daß auch Steinbach unterhalb Ansbach in die gleiche Zeit fällt, was hier nach der ganzen Siedlungslage vollkommen ausgeschlossen ist.

 In solchem Sinne dürften die Untersuchungen über die Siedlungsgeschichte zu umschranken sein, damit sie nicht auf Irrwege geraten und zu falschen Schlüssen führen.


3. Die Patrozinienurkunde.

 Auch ihr kommt fraglos bei der Prüfung und Feststellung der kirchlichen Organisation in der Anfangszeit eine besondere Bedeutung zu. Man kann aus den überlieferten Kirchenheiligen mancherlei Schlüsse ziehen, vor allem auf das Alter der betreffenden Kirchen und Pfarreien. Dr. Weigel spricht aber mit gutem Grunde von einer „bedachtsam“ anzuwendenden Wissenschaft.[5] Das will sagen, daß die Patrozinienkunde nur im Zusammenhang mit anderen geschichtlichen Faktoren Bedeutung gewinnt, nicht aber für sich allein schon feste und bestimmte Aussagen zu machen geeignet ist.

 Das ist zunächst bei den schon in frühester Zeit auftretenden Kirchenpatronen zu beachten. Bei ihnen kann vielfach eine Blütezeit ihrer Verehrung festgestellt werden, wie z. B. bei St. Martin, der zur merowingischen


  1. Weigel 16, 11.
  2. Weigel 16, 14.
  3. Weigel 16, 15.
  4. Weigel 16, 12.
  5. Weigel 14, 167.