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beschaffte. Wie oft haben seitdem diese Glocken zu Freudenfesten geläutet, zur Trauer gestimmt, zum Gottesdienst gerufen! Wie oft hat die Betglocke mit ihrem ernsten Ton durch das drei- vier- und fünfmalige, also im Ganzen zwölfmalige Anschlagen auf die göttliche Dreieinigkeit, auf die vier Enden der Erde oder das vierfache Ackerfeld, auf die fünf Wunden, daraus das Blut der Versöhnung zwischen Gott und der Welt geflossen, und auf die Ewigkeit die Vollendung der Versöhnung, so durch Christum geschehen, hingewiesen! Wie oft hat der tiefernste Glockenton die Stunde verkündigt, da der Herr in heißester Versöhnungsarbeit das Wort ausrief: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“[WS 1] – Für wie Manchen aber mag auch in den 300 Jahren bis auf den heutigen Tag eine jede Glocke trotz ihrer lauten Beredtsamkeit ein tönendes Erz und eine klingende Schelle geblieben sein!

Heute ist nun zu diesen beiden Hauptglocken eine dritte hinzugekommen. Das alte Glöcklein mit seinem Mißklang ist beseitigt. In schönster Harmonie haben die drei Glocken uns heute zum ersten Male zum Gotteshause gerufen. Ihr fühlt es, was die hinzugefügte dritte Glockke mit ihrer Inschrift einer evangelischen Gemeinde nicht blos heute am Jubelfeste, sondern an jedem Sonn- und Feiertage zurufen will: „Kommet herzu, lasset uns dem Herrn frohlocken und jauchzen dem Hort unseres Heils!“[WS 2] – Ein evangelischer Christ stehet in seinem Gotteshause nicht vorwiegend unter dem Gesetzesschall der alttestamentlichen Posaune, sondern unter dem lieblichen Klang des Evangeliums des Herrn, der den Mühseligen und Beladenen verheißen hat: „Ich will euch erquicken!“[WS 3] – Mit Frohlocken und Jauchzen kommt ein evangelischer Christ zu seinem Gotteshause; denn er weiß, er hat dort für alle Lagen seines inneren Lebens einen unvergleichlichen, wohlgeborgenen Schatz seines Heiles im reinen Wort und Sakrament. Heute nun frohlocken und jauchzen wir mit besonderer Herzensfreude darüber, daß dieser Schatz vor 300 Jahren unserer Gemeinde gehoben worden, und daß er uns bis auf den heutigen Tag geblieben ist, daß er uns geblieben ist auch unter den mannigfachen Kämpfen nach außen, auch unter vielfachen Verirrungen innerhalb des Gemeindelebens. Dem Herrn sei Dank dafür!

Doch es wäre thöricht, wenn wir heute blos im Lichte der Vergangenheit uns ein wenig sonnen wollten, wenn wir nur fröhlich sein könnten im Blick auf das, was Gott der Herr an den Vätern gethan hat. Nein, es gilt heute am Jubelfeste, sich noch fester auf den Grund unseres allerheiligsten Glaubens zu stellen, mit neuem Geloben, neuem Bekennen, mit neuen heiligen Entschließungen

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Markus 15,34.
  2. Psalm 95,1.
  3. Matthäus 11,28.
Empfohlene Zitierweise:
Josua Julius Garschagen: Die evangelische Gemeinde Rosbach a. d. Sieg. Albert Pfeiffer, Solingen 1884, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:GarschagenRosbach1884.pdf/42&oldid=- (Version vom 15.4.2021)