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nicht. Das Gesetz, sofern es ein Zuchtmeister ist auf Christum, und alle Bestimmung, welche lediglich diesem Erziehungszweck diente, ist für den Gläubigen aufgehoben. Nicht aufgehoben aber ist das Gesetz, sofern es die Offenbarung des einen unveränderlichen göttlichen Willens ist über das, was der Mensch in den Verhältnissen, in die er von Gott eingesetzt ist, thun oder lassen soll. Für den Gerechten gibt es kein die Sünden strafendes Gesetz, denn er ist und hat, was das Gesetz fordert; aber wenn es für ihn nicht da ist, so verneint er es doch nicht; sein Wandel ist vielmehr eine Aufrichtung des Gesetzes. Die Frage ist nun: welches sind im Gesetz diejenigen Bestimmungen, in welchen der eine ewige unveränderliche Wille Gottes zum Ausdruck kommt. Der allgemeine Kanon: „Was für alle Menschen, zu allen Zeiten und allerorten und unter allen Verhältnissen nicht bloß anwendbar ist, sondern ohne Verletzung der Sittlichkeit nicht unterlassen werden kann, das ist unvergänglicher Art und ist der bleibende Teil des Gesetzes, der sich an allen Gewissen fort und fort als Gottes allgemein verbindlicher Wille erweist,“ ist vollkommen richtig, aber auch pur formal. Besser schon ist der folgende Satz: „Das ganze Gesetz mit Ausscheidung dessen, was kenntlicher Weise nur für das Volk Israel und eine bestimmte Zeit berechnet war, also mit Ausscheidung dessen, was von rein lokaler, nationaler und temporärer Bedeutung ist, ist verbindlich.“ Hier ist ein Prinzip ausgesprochen nämlich, daß von vornherein das ganze Gesetz als verbindlich anzusehen ist und wird nur ausgeschieden, was für ein bestimmtes Gebiet berechnet war und da Geltung haben sollte. Der Ausgangspunkt ist also bei beiden Anschauungen ein verschiedener. Soll man aber bestimmt angeben, was lokaler, nationaler und temporärer Art, was also vorübergehender Bestandteil des Gesetzes ist, so muß man auf die Wendung hinweisen, welche durch die Erscheinung Christi im Fleisch gegeben ist.

 Um die Scheidung des Lokalen und Temporären vom alttestamentlichen Gesetz leichter zu vollziehen, dient die herkömmliche Einteilung des Gesetzes in: Sittengesetz (dessen Summe in den zehn Geboten enthalten ist), Ceremonialgesetz (die göttlich gegebene Kirchenordnung des Alten Testaments) und bürgerliches Gesetz (welches das gesamte Staatsleben, die Verfassung und Verwaltung des Staates, die rechtlichen und sozialen Verhältnisse desselben umfaßt).

 Das Sittengesetz ist seiner Natur nach allgemeiner Art. Dazu