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Glauben gebrauchen, von Hoffnung die Rede, da dort das Heil erst in den Anfängen verwirklicht war und noch in der Zukunft zu erwarten stand. Aber für uns, für die das Heil bereits in der Fülle der Zeit bewirkt ist durch Christi Menschenwerdung, Leiden und Auferstehen, legt sich Glaube und Hoffnung mehr auseinander. Unter Glauben verstehen wir dann die Aneignung des bereits erschienenen, bereits gewirkten Heils; unter Hoffnung verstehen wir das Harren auf das zukünftige Heil, auf die Vollendung. – Diese Hoffnung ist eine gewisse und zwar deswegen, weil sie auf göttlichen Verheißungen ruht, für die Gott selber schon durch das Heil, das er in Christo der Welt hat erscheinen lassen, die vollste Bürgschaft gegeben hat. Daher ist die Christenhoffnung eine gewisse, im Unterschied von der heidnischen, von welcher Cicero die Definition gibt: Spes incerti boni nomen est, die Hoffnung ist der Name für ein ungewisses Gut, wie Furcht der Name für ein ungewisses Übel ist. Der Gegenstand der Hoffnung ist eben deswegen eine Realität, die dann nicht wieder durch spiritualistische Auslegung verflüchtigt werden darf. In unsrer Kirche, in der Dogmatik wenigstens, hat von Anfang an mit wenig Ausnahmen der Spiritualismus geherrscht; der Farbenreichtum, mit welchem die heilige Schrift die Zukunft, den Himmel, die ewige Seligkeit beschreibt, wurde nur als Ornament, als irdisches, menschlich beschränktes Darstellungsmittel des Unaussprechlichen und Unbeschreiblichen in der Ewigkeit angesehen. Man sagte, es sind eben irdische Eindrücke, Vorstellungen auf die Ewigkeit übertragen, die Farben auf der Palette dieser Schilderung sind pur der Erde entlehnt. So verflüchtigte man das Konkrete, Reale an den Ausdrücken der heiligen Schrift in den feinen Dunst des Gedankens. Aus dem Himmel, den uns doch die heilige Schrift mit solch reichhaltiger Ausführlichkeit beschreibt, und der Stadt des lebendigen Gottes mit dem himmlischen Heiligtum wird ein seliger Zustand gemacht, dem selbst die Örtlichkeit abgestreift wird, denn davor scheuen sie sich, den Begriff des Ortes auf die Ewigkeit überzutragen, coeleste quoddam που sagen sie. Es fehlt an dem rechten Begriff der verklärten Leiblichkeit, der erst durch die neue Theosophie zu seinem Recht gebracht ist. Wenn der falsche Gegensatz einmal hingefallen ist, der Geist und Leib in einen unversöhnlichen Gegensatz stellt, dann wird der Spiritualismus auch in der Theologie verschwinden, dann wird diese Auffassung der Dinge einer schriftgemäßeren Platz machen. Es ist freilich oft schwierig, die Grenze zu ziehen