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sich benehmen. Damit hängt noch ein sehr wichtiger Grundsatz der Erziehung zusammen: es muß das Kind nach seiner Eigentümlichkeit seelsorgerlich erzogen werden, d. h. so, daß man es in seiner Eigentümlichkeit kennen lernt und dieselbe nicht etwa vernichtet, sondern zu reinigen, zu läutern und zu kräftigen sucht. Endlich soll die Erziehung beherrscht sein vom Geist der Einfachheit und Einfalt und soll geschehen in Hoffnungsfreudigkeit. Möglichste Einfachheit der Erziehung ist anzuraten; auch in besseren Verhältnissen müssen die Kinder an Entbehrung und Entsagung gewöhnt werden. – Man lasse die Kinder in ihrer Einfalt und kindlichen Unbefangenheit und der ihnen so förderlichen Verborgenheit und ziehe sie nicht aus ihrer Welt heraus in das Leben und die Erregung der Erwachsenen und ihrer Geselligkeit. – Alle Erziehung sei eine hoffnungsfreudige, denn die Desperation ist der Tod alles Guten. Man gebe die Hoffnung nie auf, vor allem die Eltern nicht. In der Hoffnung spricht sich der siegreiche Glaube aus, und auch hier heißt es: „Hoffnung läßt nicht zu Schanden werden“. Man kann zwar nicht in allen Fällen auf Erfolg rechnen; es haben oft fromme Eltern ungeratene Kinder (Absalom). Es bleibt da den Eltern nichts übrig als Ergebung in Gottes Willen.

 Die Mittel zur Erziehung sind innere und äußere. Erziehungsmittel muß das ganze häusliche Leben mit all seinen Vorkommnissen sein.

 1. Die Erziehung fängt zuerst an mit der Gewöhnung. Die Gewöhnung ist eine hilfreiche Macht zu allem Guten, aber man hüte sich vor der Dressur und Abrichtung, welche die Kinder unwürdigerweise zu willenlosen Werkzeugen macht und den Charakter verdirbt. Die Gewöhnung ist keine innere Umwandlung des Menschen, keine Einwirkung auf das Innere des Menschen, sie reicht nicht in das Inwendige; aber immerhin ist die Gewöhnung zum Guten auch für die mündig gewordene Persönlichkeit, geschweige für das Kind, von großem Vorteil. Durch die Gewöhnung wird dem Menschen das Gute gleichsam zur zweiten Natur. Der Mensch hat an der Gewöhnung eine Stütze und eine Unterstützung seines guten Willens, eine ihn über momentane Unlust zum Guten hinübertragende Macht. Wenn einer oft nicht aufgelegt ist zum Gebet, er hat sich aber gewöhnt, täglich sein Morgen- und Abendgebet zur bestimmten Stunde zu verrichten, so trägt ihn die Gewöhnung und gute Sitte hinüber über die momentane Trägheit des Willens. Die Gewöhnung, die Übung macht das Gute