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Bruder. „Sündigt dein Bruder an dir, sagt der HErr, so strafe ihn zwischen dir und ihm allein.“ Hiemit ist die brüderliche Zucht gemeint, welche nicht gleichgültig gegen die Sünde des Nächsten bleibt. Die drohende Gefahr erweckt den Liebeseifer und gibt Mut und Weisheit zu reden, was der Nächste nicht gerne hört. Ja, sie läßt nicht ab, wenn er sich nicht gleich gibt, sie nimmt nach des HErrn Befehl, wenn die erste Ermahnung in der angemessenen Wartezeit unbeachtet geblieben ist, „zween oder drei Zeugen,“ und so erwächst mit steigendem Ernst eine ganze Stufenleiter des brüderlichen Zuchtverfahrens, Matth. 18, von der hier nicht weiter zu reden ist. Die Seele der Zucht aber muß die Liebe sein, welche das sonst harte Wort der Bestrafung mit linderndem Öl beträufelt, so daß es in das Herz des andern Eingang findet. Allerdings gilt die obige Regel zunächst für die Brüdergemeinschaft; wenn der Nächste einer anderen Kirchengemeinschaft angehört, läßt sich die Regel nicht in der strengen Weise durchführen, geschweige wenn es sich um einen Draußenstehenden handelt. Da kann man kein Zuchtgericht anrufen. Aber der Christ hält in jeder menschlichen Gemeinschaft auf Zucht, straft und gibt seinen Worten durch die That und das Verhalten Nachdruck. Ohne Zucht versumpft die Gemeinschaft, verdirbt das öffentliche Urteil und der Sittenverfall nimmt überhand. Es ist in unsrer Zeit ein Gewinn der freien Presse, daß sie eine Art Sittengericht über die vorkommenden Ärgernisse übt, die sonst in dem Schlupfwinkel der Heimlichkeit sich verbergen konnten, namentlich gilt das von Angesehenen und Mächtigen der Erde, die sonst, wo nicht etwa ein treuer Seelsorger sie strafte, eine Art Privilegium hatten, unbesprochen und unberedet die größten Sündengreuel zu begehen. Was im bürgerlichen Leben auf dem Wege nur unvollkommen erreicht wird, erscheint in vollkommener Weise in der Kirche, wo die vom HErrn befohlene Zuchtübung mit Ernst und Weisheit geübt wird. Da gilt das Wort: „Habt Salz und habt Friede bei euch.“

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 Hieher gehört drittens im weiteren Sinne das gesellige Leben, resp. die Pflege der Gemeinschaft im geselligen Leben. Das gesellige Leben ist eine besondere Art des täglichen Verkehrs. Es gibt auf diesem Gebiet feststehende Einrichtungen und ein mehr oder weniger bestimmt ausgebildetes Herkommen. Der Christ beweist sein Christentum beim Gebrauch dieser Einrichtungen darin, daß er das Maß beobachtet, auf Zucht, Anstand und gute Sitte hält, daß er auf