Seite:Friedrich Bauer - Christliche Ethik auf lutherischer Grundlage.pdf/160

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Geist geheiligt ist, hat der Mensch kein Herrenrecht über seinen Leib, darum der Selbstmord eine Frevelthat. Damit er der Seele für ihre Zwecke dienen kann, bedarf er der sorgsamen, nicht aber üppigen Pflege, einer angemessenen Kasteiung, damit er gestählt werde und die Seele die Herrschaft über ihn gewinne, einer zweckdienlichen Ausbildung, um ihm die zum Berufe nötige Kraft und Geschicklichkeit zu verschaffen, einer gewissenhaften Schonung, soweit nicht höhere Rücksichten fordern, im Dienste Gottes und der Menschheit Gesundheit, Kraft und Leben zu verzehren und aufzuopfern. Sofern der Leib der Sitz der Lüste ist, die wider die Seele streiten, muß er, oder vielmehr müssen die Lüste an ihm ertötet werden.

 Die Seele des Christen muß ihren Leib so ziehen, daß sie die möglichst vollkommene Herrschaft über ihn hat, aber ihn auch als ihren Mitgenossen an der Seligkeit und Herrlichkeit ehren und darnach behandeln. Die Tugenden die sich daraus ergeben, sind Mäßigkeit, Keuschheit, Enthaltsamkeit, Bedürfnislosigkeit, Opfermut.

 Den Zweck des persönlichen Wohls erreicht der Christ nur in der Förderung der Gemeinschaften geistlicher, wie natürlicher Art, denen er angehört. Die Stellung, die er in dem Ganzen, zum Besten desselben einnimmt, ist seine Berufsstellung oder Beruf im gewöhnlichen Sinn. Es gibt Berufe in der Kirche (Haushalter, geistlicher Beruf; und allgemeiner Art, Röm. 12,3–6). Und es gibt auch solche in den natürlichen Gemeinschaften. Auf sie bezieht sich insonderheit die Bezeichnung: irdischer Beruf. Unter dem irdischen Beruf des Christen in diesem speziellsten Sinne versteht man jene dem Christen von Gott angewiesene Stellung, in welcher er als Mensch „wie die andern, den natürlichen und menschlichen Zwecken seiner eigenen Existenz und der Existenz der natürlichen Gemeinschaft dient.“ Der irdische Beruf ist nicht Selbstzweck, sondern nur Mittel zum Zweck, und Schranke, darin der Christ auf dem Wege zum himmlischen Ziele läuft. Der Eintritt in den irdischen Beruf muß als göttliche Führung angesehen werden, die Arbeit im irdischen Beruf als ein Segen und Bewahrungsmittel vor dem Bösen. Der „geistliche Beruf“ dient unmittelbar der Förderung zum himmlischen Ziel, mittelbar dem Zweck der irdischen Existenz. Die Arbeit des Berufs aber verlangt einen Wechsel von Arbeit und Ruhe oder Erholung, wofür der Zweck des irdischen und himmlischen Berufs in ihrer Einheit das Maß bestimmt. Die Arbeit